Die rechtsnationale Partei AfD konnte bei den Landtagswahlen in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen über 20 Prozent der Stimmen holen. Das hat nicht mehr nur mit Protest gegen die traditionellen Parteien zu tun, erklärt SRF-Korrespondent Peter Voegeli.
SRF News: Die AfD ist fremdenfeindlich, zuweilen gar rechtsextrem. Ist es nur die Ausländerpolitik, mit der die AfD die Stimmen geholt hat?
Peter Voegeli: Sie war sicher der Auslöser für den grossen Erfolg der letzten Jahre. Aber es gibt noch andere Gründe. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage hatte zum Resultat, dass zwei von drei Deutschen den Staat für überfordert halten – vor allem bei der Rechtsdurchsetzung. Und dieses Gefühl wurde durch die Flüchtlingskrise befördert. Das Vertrauen in den Staat ist zwar nicht verloren, aber doch erschüttert.
Hat der rechte Rand der AfD nach diesen Wahlen noch mehr Aufschwung?
Die AfD im Osten ist inhaltlich und rhetorisch rechter als die AfD im Westen, wo sie zahlenmässig stärker ist. Der rechte Flügel der Partei wird aber an Bedeutung gewinnen. AfD-Chef Alexander Gauland wird bald zurücktreten und durch einen Mann im Osten ersetzt – wahrscheinlich durch Tino Chrupalla von der sächsischen AfD.
Wer 2014 AfD wählte, wollte den traditionellen Parteien eins auswischen. Ist das heute immer noch so?
Im Prinzip schon, in Sachsen aber nicht. Laut Umfragen haben dort 80 Prozent der AfD-Wähler die Partei für ihr Programm gewählt. Sachsen ist denn auch der Prototyp für die AfD. Sie kann dort am ehesten mitregieren, weil das Bundesland traditionell konservativ ist.
Die CDU hat in Sachsen in den letzten Jahren eine rigorose Sparpolitik durchgezogen. Hat das die Leute gegen die Regierung aufgebracht?
Die Sparpolitik ist ein ganz wichtiger Punkt. Es wurde massiv bei Bildung und Polizei gespart – das spürt jeder. Auch für die Kommunen lohnte es sich nicht mehr gut zu wirtschaften, weil sie einen grossen Teil der Gewinne abgeben mussten. Sachsen hat in den letzten Jahren schätzungsweise 15 Milliarden Euro Reserve angehäuft. Das entspricht etwa einem Jahresbudget des Bundeslandes.
Die CDU ist in Sachsen seit 30 Jahren an der Macht. Ihr wird auch Arroganz vorgeworfen.
Ja, das sagen viele. Es ist eine Art Arroganz wie früher bei der DDR-Staatspartei SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands). Ihr bevormundendes Auftreten und Verhalten wird von vielen nicht goutiert.
Das Duell mit der AfD hat auch der CDU geholfen.
Dann ist es in Sachsen eine Kombination aus «für die AfD» und «gegen die CDU», die der AfD so viel Auftrieb gegeben hat?
Ja. Aber ich denke, das Duell AfD gegen CDU hat auch der CDU geholfen. Wähler von der FDP oder der SPD wollten, dass die CDU und Ministerpräsident Kretschmer an der Macht bleiben. Sie haben taktisch gewählt. Die AfD hat vor allem viele Nichtwähler gewonnen – mehr als alle anderen Parteien zusammen.
Die CDU schliesst ein Bündnis mit der AfD kategorisch aus. Dann wird die AfD weiter in der Opposition bleiben. Ist das nicht genau die Rolle, die ihr behagt?
Doch. Vor allem in Brandenburg, weil sie dort keine Chancen auf Regierungsbeteiligung hat. In Sachsen will sie längerfristig mitregieren.
Gibt es auch Stimmen aus der bürgerlichen Mitte, die sagen, man sollte die AfD besser in die Regierung einbinden?
Diese Stimmen gab es zuweilen in Sachsen, als die Umfragen sehr schlecht aussahen. Aber Kretschmer hat nach langem Zögern eine Linie gefunden und sich von der AfD klar abgegrenzt – das hat ihm Punkte gebracht, wie auch anderen aus der CDU, die nicht mit der AfD koalieren wollen.
Das Gespräch führte Claudia Weber.