Es hat sich viel Frust und Resignation aufgestaut in Rumänien. Nach Auszählung von 95 Prozent aller Stimmen zeigt sich: Das hat zu einem Wahlresultat geführt, mit dem niemand gerechnet hat.
Von der Resignation hat vor allem die postkommunistische PSD profitiert. Diese Partei hat Rumänien in den letzten zwei Jahrzehnten geprägt wie keine andere. Sie trägt viel Verantwortung dafür, dass die Spitäler so marode, die Schulen so schlecht sind und die Korruption in Rumänien so weit verbreitet ist. Und dennoch hat die PSD bei diesen Wahlen rund dreissig Prozent der Stimmen geholt. Dieses überraschend gute Abschneiden lässt sich nur damit erklären, dass viele in Rumänien von der Politik ganz grundsätzlich nichts anderes mehr erwarten, als dass jede Partei ihre eigene Klientel bedient.
Genug vom Politpersonal
Der Bruder der Resignation, der Frust, dürfte der nationalistischen, einige sagen rechtsextremen, Gold-Allianz zu ihrem Überraschungserfolg verholfen haben. Die AUR galt als chancenlose Aussenseiterin; jetzt hat die Partei, die Moldawien mit Rumänien vereinigen will, fast jede zehnte Stimme geholt. Das ist ein Zeichen dafür, wie genug viele in Rumänien vom bisherigen Politpersonal haben.
Diesen Überdruss haben ganz besonders die derzeit regierenden Bürgerlichen zu spüren bekommen. Sie waren die Favoriten. Und sie haben den Rumäninnen und Rumänen den Neuanfang versprochen, den sich viele wünschen: ein Land, das seine Kranken versorgen kann, seinen Kindern reelle Chancen bietet, ein Land, das sich von der Korruption befreit.
Neuanfang vom zweiten Platz aus
Die Bürgerlichen sind mit ihrem grossen Versprechen auf dem enttäuschenden zweiten Platz gelandet. Und doch werden sie den Neuanfang wohl versuchen können. Erwartet wird, dass sie zusammen mit der Anti-Korruptionspartei USR-Plus und mit UDMR, der Partei der ungarischen Minderheit, die neue Regierung bilden.
Wie gross der Frust ist in Rumänien und wie nötig ein Neuanfang wäre, zeigt sich an der tiefen Wahlbeteiligung: Nur 31 Prozent der Wahlberechtigten gingen gestern an die Urne – so wenige wie noch nie seit dem Ende des Kommunismus.