Der Oppositionspolitiker Djordje Miketic ist überrascht, als der serbische Präsident Aleksandar Vucic im Fernsehen plötzlich über ihn spricht. «Er sagte, er wisse etwas über mich, und dass ich mich schämen sollte», erzählt der Parlamentsabgeordnete.
Am nächsten Tag wird Miketic ein Screenshot eines privaten Sexvideos zugeschickt. Dazu eine Warnung, dass er in Zukunft besser schweigen solle. Er macht das Gegenteil, veröffentlicht die Warnung mitsamt Screenshot auf Social Media und beschuldigt Vucic, dafür verantwortlich zu sein.
Schliesslich kennt der Präsident den Inhalt des Videos. Ein Video, das Miketic vor über drei Jahren bei einem Einbruch gestohlen wurde und von dessen Existenz zu diesem Zeitpunkt nur er selbst und die Erpresser etwas wissen. Damit will der Präsident eine Botschaft an alle schicken, die seine Macht infrage stellen: «Ich weiss alles über jeden. Legt euch nicht mit mir an.»
Die Institution im Dienst der Macht
Die Episode zeigt exemplarisch, wie die Regierung Institutionen und Medien für die eigenen Zwecke missbraucht. Dies nehme in Zeiten des Wahlkampfes jeweils zu, sagt die Nichtregierungsorganisation CRTA. Sie überwacht die Wahlen.
Es beginne bei der Medienberichterstattung, sagt Tamara Brankovic von CRTA. «In den landesweiten TV-Sendern erhält die Regierungspartei 75 Prozent der Primetime-Berichterstattung.» Dazu komme eine starke Konzentration auf die Person von Aleksandar Vucic. Obwohl er als Präsident gar nicht zur Wahl stünde, dominiere er die Diskussionen.
Ihm ist es in den letzten Jahren gelungen, die Macht im Land auf seine Person zu konzentrieren. Mittlerweile beherrschen er und seine Partei sämtliche Ebenen des Landes und nutzen die Institutionen für eigene Interessen. Angestellte staatlicher Unternehmen müssten beispielsweise eine gewisse Anzahl Wahlstimmen garantieren. Ansonsten riskierten sie, die Stelle zu verlieren. Bei CRTA sind mehrere solcher Meldungen eingegangen.
Ein zwielichtiges Callcenter
Wie das System Vucic in der Praxis funktioniert, zeigt eine aktuelle Recherche des unabhängigen Zentrums für Investigativjournalismus CINS. Die Journalistin Ivana Milosavljevic hat sich von einem Callcenter anstellen lassen, das für die Regierungspartei SNS Wahlkampf betreibt.
Schnell seien ihr dafür Bedingungen gestellt worden: «Mir wurde gesagt, ich müsse für SNS stimmen und dies mit einem Foto beweisen.» Dafür könne sie zusätzlich auch am Wahlsonntag arbeiten und erhalte für den Tag den dreifachen Lohn.
Für die Journalistin ist klar: Der Fall zeige exemplarisch einen Teil des Systems, das sich Vucic in den letzten Jahren aufgebaut hat und das seiner Partei am Sonntag auch wieder den Wahlsieg sichern dürfte.