Am Dienstagabend hat sich die Opposition zur Abschlusskundgebung im Zentrum Belgrads versammelt. Tausende Menschen sind gekommen. Ein Meer aus serbischen Fahnen dominiert das Bild. Auf der Bühne sprechen nacheinander die Vorsitzenden der einzelnen Parteien des Bündnisses «Serbien gegen Gewalt».
Bei der grossen Anzahl dauert das über zwei Stunden. Sie versuchen, eine Stimmung des Aufbruchs zu verbreiten. Immer wieder attackieren sie die Regierung rund um Präsident Aleksandar Vucic. Seine Zeit, da ist man sich hier einig, sei nun vorbei. Dabei kandidiert er als Präsident gar nicht bei den Parlamentswahlen am Sonntag.
Protestbewegung steht hinter dem Bündnis
Das Bündnis besteht aus einer Reihe verschiedenster Parteien. Von Mitte-rechts bis links wird ein breites politisches Spektrum abgebildet. Entstanden ist das Bündnis «Serbien gegen Gewalt» aus der gleichnamigen Protestbewegung.
Nach zwei Massenschiessereien im Mai gingen regelmässig Zehntausende Menschen gegen die Regierung auf die Strasse. Es waren die grössten Proteste in Serbien seit langem. Daran will das Bündnis nun anschliessen: «Die Mai-Massaker sind ein kollektives Trauma. Unterschiede in den Positionen sind dadurch weniger wichtig geworden», sagt Biljana Dordevic. Sie ist die Co-Vorsitzende einer links-grünen Partei.
Wie nachhaltig ist der Zusammenschluss?
Die Opposition in Serbien war in den letzten Jahren zerstritten. Deshalb ist es fraglich, ob diese Koalition über die Wahlen hinaus Bestand haben wird. Doch bereits dieser erste Schritt sei bemerkenswert und erhöhe die Chancen der Opposition, sagt die Politikwissenschaftlerin Maja Bjelos. «Die Menschen wählen eher ein breites Bündnis statt einzelner Splitterparteien.»
Trotzdem dürfte es auf nationaler Ebene nicht für den Sieg reichen. Allerdings hat die Opposition reale Chancen, erstmals seit zehn Jahren die Macht in Belgrad zu erobern. Das wäre mehr als nur ein symbolischer Sieg. Fast jede vierte Person in Serbien lebt in der Hauptstadt. Hier kann man zeigen, was man anders machen würde.
Mobilisieren in einer illiberalen Demokratie
Wer die Hauptstadt Belgrad regiert, kriegt automatisch mehr Aufmerksamkeit. In einem Land, in dem die meisten Medien und Institutionen von der Regierung kontrolliert werden, ist das Gold wert. Denn in Belgrad ist nur die Regierung präsent.
Wird doch einmal über die Opposition gesprochen, dann meist in diffamierender Art und Weise. Persönliche Angriffe auf politische Gegner sind Teil des politischen Alltags.
Wer gegen das System ist, hat daher nur beschränkte Möglichkeiten im Kampf um die Aufmerksamkeit: Kundgebungen, Tür-zu-Tür-Wahlkampf oder Social Media. Genau da will die Opposition auch ansetzen: Sie verspricht eine Stärkung des Rechtsstaates und die Bekämpfung der grassierenden Korruption.