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Wahlen in Thailand «Die unfaire Ausgangslage widerspiegelt sich im Resultat»

Thailänderinnen und Thailänder haben zum ersten Mal seit dem Militärputsch vor fünf Jahren ein neues Parlament gewählt. Nach der Auszählung von gut 90 Prozent der Stimmen zeigt sich: Das Lager der Militärregierung liegt vorn. Südostasienkorrespondentin Karin Wenger spricht von einer unfairen Wahl.

Karin Wenger

Südostasien-Korrespondentin, SRF

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Karin Wenger ist seit Frühling 2016 Südostasien-Korrespondentin von SRF in Bangkok. Sie berichtet über Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand, Burma, Vietnam und weitere südostasiatische Länder. Wenger lebte zuvor sechs Jahre lang in der indischen Hauptstadt Neu Delhi. Früher berichtete sie als freie Journalistin aus dem Nahen Osten.

SRF News: Sie waren in verschiedenen Wahllokalen unterwegs. Haben Sie dieses Resultat erwartet?

Karin Wenger: Nein, sicher nicht, nachdem ich den Leuten zugehört habe. Ich war etwa in einem Fischerdorf, wo die Fischer sagten, die Militärjunta habe so viele Regeln aufgestellt, dass man gar nicht mehr vom Fischfang leben könne. Die Bauern im Norden des Landes beklagten sich, dass sie heute hoch verschuldet seien, weil die Armeeregierung viele Subventionen gestrichen habe. Für die Bauern war deshalb klar, dass sie für die Pheu-Thai-Partei des im Exil lebenden Thaksin Shinawatra stimmen werden. Und als ich junge Leute in Bangkok interviewte, sagten alle, die Militärdiktatur müsse endlich ein Ende haben. Darum hätten sie für die Partei Future Forward gestimmt.

Wie erklären Sie sich dann dieses gute Ergebnis für die der Armee nahe Partei?

Ich erkläre es mir damit, dass diese Wahlen alles andere als fair waren. Die Militärführung hat alle möglichen Tricks angewandt, um möglichst viele Stimmen für die Armee-Partei zu bekommen. Der Armee stand der ganze Staatsapparat und die Staatsmedien zur Verfügung. Während die anderen Parteien erst wenige Wochen vor den Wahlen mit ihrer Kampagne starten konnten. Experten sagen, die Armee-Partei habe sich viele Kandidaten von anderen Parteien gekauft.

Wir werden in den nächsten Wochen eine politische Blockade sehen – vielleicht Strassenproteste oder gar einen weiteren Putsch.

Auch mehrere Wähler berichteten davon, dass die Armee ihnen Geld für ihre Stimme gegeben habe. Und dann hat die Armeejunta vor zwei Jahren eine neue Verfassung verabschiedet, welche die Macht der grossen Parteien schwächt und jene der Armee stärkt. Diese unfaire Ausgangslage widerspiegelt sich jetzt in diesen Wahlergebnissen.

Was bedeutet dieses gute Ergebnis der Armee für Thailand?

Es bedeutet, dass der Putschführer Prayuth Chan-ocha der nächste Premierminister wird. Auch das hat mit der neuen Verfassung zu tun, die der Armee grossen Einfluss auf die Politik garantiert. Die Thailänderinnen und Thailänder konnten zwar 500 Parlamentsabgeordnete wählen, aber der 250-köpfige Senat wird vollständig von den Generälen bestimmt. Das bedeutet, dass General Prayuth bereits 250 Stimmen auf sicher hat, sozusagen geschenkt.

Aber was wir höchstwahrscheinlich in den nächsten Wochen auch sehen werden, ist eine politische Blockade oder vielleicht Schlimmeres. Die beiden grössten Oppositionsparteien haben ebenfalls sehr gut abgeschnitten und werden dem künftigen Premierminister das Leben schwer machen, wenn er glaubt, er könne als Diktator in demokratischem Gewand weiterregieren.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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