US-Präsident Joe Biden hat die Reform des Wahlrechtes zu einem der wichtigsten Ziele seiner Präsidentschaft erklärt. Das Problem: Im Senat braucht er auch die Unterstützung von einigen Republikanern – und die sperren sich beharrlich dagegen. Um den Widerstand zu brechen, möchten Biden und viele Demokraten die Abstimmungsregeln ändern. Ein heikles Unterfangen, wie SRF-Korrespondent Matthias Kündig ausführt.
SRF News: Zur eigentlichen Wahlrechtsreform: Wo liegt das Problem, wenn die verschiedenen Bundesstaaten unterschiedliche Wahlgesetze haben?
Matthias Kündig: Das führt dazu, dass es an manchen Orten vor allem für Minderheiten wie Schwarze und Indigene, aber auch für die unteren sozialen Schichten, schwierig ist, überhaupt zu wählen. Denn der Wahltag ist in den USA per Verfassung immer ein Dienstag, also ein Arbeitstag. Das ist für viele, die etwa im Stundenlohn angestellt sind, eine hohe Hürde. Denn nur in einigen liberalen Bundesstaaten können die Menschen per Post wählen oder bereits in den Tagen zuvor ihre Stimme abgeben. In einigen konservativen Staaten muss dafür zuerst eine Sonderbewilligung eingeholt werden und es braucht ein Arztzeugnis oder eine Bestätigung des Arbeitgebers.
Es gibt also Bundesstaaten mit recht hohen Hürden, die die Menschen davon abhalten, von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch zu machen. In republikanisch geführten Staaten wurden diese Hürden im letzten Jahr sogar noch erhöht.
Das Vorhaben steckt seit Monaten fest im Senat, wo die Republikaner eine Sperrminorität haben. Mit dem sogenannten Filibuster verhindern sie, dass über eine Reform des Wahlrechts überhaupt debattiert werden kann. Was ist die Idee hinter diesem Filibuster?
Damit wollte man ursprünglich erreichen, dass Gesetzesvorlagen breit abgestützt sind und die Mehrheitspartei die Anliegen der Opposition nicht einfach konsequent übergehen kann. Das hat jahrzehntelang auch gut funktioniert, als im US-Kongress noch eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit bestand und die Moderaten in beiden Parteien noch viel mehr Gewicht hatten. Der Filibuster wurde lange Zeit auch nur selten angewandt.
Doch in den letzten 20 Jahren hat die Polarisierung stark zugenommen, der Fraktionszwang ist wichtiger geworden und die Moderaten haben an Gewicht verloren. Deshalb sind beide Parteien – wenn sie in der Oppositionsrolle sind – dazu übergegangen, konsequent jedes Vorhaben der Mehrheitspartei mit dem Filibuster zu blockieren, quasi im Keim zu ersticken. Mit dem Resultat, dass der Kongress kaum mehr fähig ist, dringende Reformvorhaben überhaupt anzupacken. Es herrscht also weitgehend Stillstand im Kongress.
Könnten die Demokraten diesen Filibuster nun für die Reform des Wahlrechtes abschaffen oder aussetzen?
Das könnten sie, denn es braucht nur ein einfaches Mehr von 51 Stimmen, um die Regeln im Senat zu ändern – zum Beispiel, um festzulegen, dass der Filibuster bei Wahlrechtsreformen nicht gilt. Aber derzeit sperren sich zwei Demokraten gegen jegliche Änderungen bei den Filibuster-Regeln: Joe Manchin und Kyrsten Sinema. Sie warnen vor diesem Tabu-Bruch und befürchten, dass eine Ausnahmeregelung unweigerlich zur vollständigen Abschaffung des Filibusters führen würde.
Damit könnten die Demokraten zwar all ihre Vorhaben mit einfachem Mehr durchsetzen – aber sobald die Republikaner wieder die Mehrheit hätten, könnten sie all diese Gesetze gleich wieder kippen. Das führt zu Instabilität und Rechtsunsicherheit.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.