Alles musste sehr schnell gehen. Denn Ende Mai sind Wahlen ins EU-Parlament. Und die beiden Regierungsparteien Cinque Stelle und Lega wollen diese Wahl, den ersten grossen Test, unbedingt gewinnen. Darauf ist derzeit alles ausgerichtet – auch der sogenannte Bürgerlohn und das tiefere Rentenalter.
Beiden Reformen sieht man deutlich an, dass sie unter diesem Zeitdruck geplant und umgesetzt werden. So war der Bürgerlohn ursprünglich gedacht als ein bedingungsloses Grundeinkommen. Doch weil dafür das Geld fehlt, schrumpfte der Bürgerlohn zur Sozialhilfe, die nur an jene Bedürftigen geht, die sich aktiv um eine Arbeitsstelle bemühen. Ob die Empfänger tatsächlich eine Stelle suchen, sollen die Arbeitsämter kontrollieren. Nur: Die sind dafür gar nicht in der Lage, sie verfügen über zu wenig Personal und Mittel.
Es hätte sich gelohnt, mehr Zeit zu investieren, um zuerst diese Arbeitsämter auszubauen. Doch eben: Da ist die EU-Wahl und die Verlockung, vorher «bella figura» zu machen.
Wie lange diese «bella figura» anhält, wird man bald sehen: Ab Mitte Jahr zeigen erste verlässliche Wirtschaftsdaten, ob der Bürgerlohn tatsächlich zu mehr Konsum und damit zum versprochenen Wirtschaftswachstum führt.
Nur ein Strohfeuer
Zweifel sind angebracht. Denn Italiens Wirtschaft dümpelt seit Jahren vor sich hin, weil es ihr an Produktivität und an Wettbewerbsfähigkeit mangelt. Konkret heisst das: Italienische Firmen nutzen Computer und schnelles Internet noch immer zu wenig. Viele Kleinbetriebe haben alten Maschinen. Strassen und Bahn sind oft marode, der Brückeneinsturz von Genua ist nur ein Beispiel. Daran aber ändern Bürgerlohn und tieferes Rentenalter nichts – sie sind das sprichwörtliche Strohfeuer, an dem man sich kurz aufwärmt.
Trotzdem verspricht die Regierung dank ihrer Reformen anhaltendes Wachstum. Erreicht sie das wider Erwarten tatsächlich, wird sie gestärkt. Steuert Italien aber, wie viele befürchten, erneut auf eine Stagnation oder gar Rezession zu, dann hat die Regierung ein Problem – ein grosses.