Der Rücktritt von US-Verteidigungsminister James Mattis wirft viele Fragen auf. Er war einer der letzten in Trumps Regierung, mit dem Integrität und Respekt vor den Institutionen verbunden wurden. Was die Konsequenzen des Abgangs des Ex-Generals sind, erklärt der diplomatische Korrespondent von SRF.
SRF News: Warum will James Mattis Trumps Syrien-Beschluss als Verteidigungsminister nicht mittragen?
Fredy Gsteiger: Weil es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt, sondern um das typische Verhalten von Trump in der Aussen- und Sicherheitspolitik. Er hat eine Entscheidung gefällt, ohne sich mit seinen sicherheitspolitischen Beraten auszutauschen und ohne Rücksicht auf die Verbündeten. In Syrien sind das vor allem die Kurden, die nun im Stich gelassen werden. Es ist auch eine Entscheidung, die letztlich nicht im Interesse der Vereinigten Staaten ist. Denn der Abzug der US-Truppen aus Syrien stärkt einerseits den IS und andererseits das Assad-Regime und dessen Schutzmächte, Russland und den Iran.
Das passt nicht zusammen: Auf der einen Seite nicht verlässlich sein, auf der anderen Seite stark sein wollen.
Trump hat ja immer gesagt, er wolle, dass sich die USA aus internationalen Konflikten zurückzögen. Handelt er insofern konsequent?
Er handelt konsequent im Sinne und im Interesse eines beträchtlichen Teils seiner Wählerschaft, die einen isolationistischen Kurs der Vereinigten Staaten befürworten. Er handelt aber gleichzeitig auch inkonsequent, denn er möchte ja trotzdem, dass die USA eine Supermacht sind. Er will der Welt sogar seinen Willen aufzwingen. Trump unterhält und tut vieles dafür, dass die USA weiterhin die stärkste Armee der Welt haben. Das passt nicht zusammen. Auf der einen Seite nicht verlässlich sein, auf der anderen Seite stark sein wollen.
Auch in Afghanistan sind die USA mit etwa 14’000 Soldaten präsent. Wird Trump diese Truppen nun auch abziehen, jetzt, wo Mattis weg ist?
Das ist auf jeden Fall denkbar geworden. Die Stimmen in seinem Umfeld, die für einen Abzug oder für eine kräftige Reduzierung der Truppenpräsenz in Afghanistan sind, werden auf jeden Fall stärker werden.
Ein Truppenabzug aus Afghanistan könnte dazu führen, dass eine Talibanregierung oder eine andere islamistische Regierung an die Macht kommt.
Was hiesse das für Afghanistan?
Zum einen wäre die gewählte Regierung dort akut gefährdet. Denn die afghanischen Sicherheitskräfte sind nach wie vor nicht imstande, für Sicherheit und Kontrolle im ganzen Land zu sorgen. Sie kontrollieren ohnehin nur einen Teil des Landes. Schliesslich könnte es dazu führen, dass eine Taliban- oder eine andere islamistische Regierung an die Macht kommt. Das wird ganz sicher zur Folge haben, dass der Einfluss der Amerikaner, was die Zukunft Afghanistans betrifft, gegen Null tendieren wird. Andere Mächte, vor allem China, vielleicht auch Russland, werden den Ton angeben.
Was bedeutet der Abgang von Mattis für die Nato, und letztlich für die Sicherheitslage in Europa?
Das bedeutet sehr viel, was das Vertrauen oder konkret den Vertrauensverlust betrifft. Mattis war für viele in Europa und in der Nato so eine Art Fels in der Brandung. Mattis selbst hat gesagt, eigentlich müsse man sich nicht zu sehr Sorgen machen, Präsidenten kämen und gingen, die USA aber bleiben. Das ist aber jetzt in Frage gestellt.
Ist davon auszugehen, dass die US-Aussenpolitik und auch die Verteidigungspolitik damit strategielos wird?
Ein Stück weit wirr ist sie schon seit längerem, aber am wenigsten noch im verteidigungspolitischen Bereich. Da gab es bis anhin es noch eine gewisse Verlässlichkeit. Das Risiko besteht nun, dass Trump Entscheidungen fällen wird, die nicht im Interesse von rational agierenden Leuten wie Mattis oder der Pentagonführung sind. Die grosse Frage ist: Wer folgt auf Mattis? Ist es ein Ja-Sager, ein Trump-Claqueur, wie wir ihn jetzt schon im Aussenministerium mit Mike Pompeo haben? Oder hat Trump die Grösse, wieder einen relativ unabhängigen Geist als Verteidigungsminister zu ernennen?
Das Gespräch führte Simon Leu