«Ich wollte immer eine Familie mit vielen Kindern», erzählt Carmen Broesder. Ihre Tochter Lucy war sehnlichst erwartet: Carmen hatte zuvor mehrere Jahre versucht, ein Kind zu bekommen.
Dann sollte Lucy ein Geschwister erhalten. Doch während der Schwangerschaft begann Carmen tagelang stark zu bluten. Sie hatte bereits früher Fehlgeburten erlebt, doch diese war anders.
Sie schickten mich wieder nach Hause.
«Ich ging von einer Notfallstation zur nächsten», erzählt Carmen. «Doch sie schickten mich wieder nach Hause.» Sie sei mehrfach ohnmächtig geworden, mit Blutungen ohne Unterbruch und so starken Schmerzen, dass sie zuletzt nur noch schreien konnte.
Carmen hatte um eine Ausschabung gebeten, die bei Komplikationen einer Fehlgeburt hilft. Doch eine Ausschabung ist im Prinzip eine Abtreibung. Und Abtreibungen waren in Idaho kurz zuvor verboten worden. Schliesslich bekam Carmen etwas Hilfe, doch sie hatte weiterhin Blutungen. Insgesamt 19 Tage lang. Sie hat seither bleibende gesundheitliche Probleme.
Medizinisches Personal im Dilemma
Seit das höchste Gericht der USA vor zwei Jahren die bundesweite Abtreibungsfreiheit aufgehoben hatte, haben viele Bundesstaaten der USA mit einer konservativen Mehrheit wie Idaho strikte Abtreibungsverbote eingeführt.
Ärztinnen und Ärzte trauen sich deshalb oft nicht, bei Komplikationen während der Schwangerschaft eine Abtreibung vorzunehmen. Denn wer eine Abtreibung durchführt, wird mit Gefängnis bestraft und verliert seine Zulassung.
Um das Leben der Mutter zu bewahren, gibt es zwar eine Ausnahme vom Verbot. Doch in der Praxis sei dies zu vage, sagt Jim Souza, Chefarzt des grössten Spitalverbands in Idaho, dem St. Luke’s Health System. Eine typische Situation sei etwa, wenn der Fötus nicht überleben könne. Es gehe dann darum, das Leben und die Gesundheit der Frau zu schützen. Die Ärzte müssten sich fragen: «Ist es sicher für mich, jetzt zu handeln? Ist sie krank genug? Ist sie septisch genug? Blutet sie genug?»
Deshalb lässt das Spital in heiklen Situationen nun Patientinnen in Bundesstaaten ohne Abtreibungsverbot fliegen. Zu warten, bis eine Frau fast sterbe oder die Fähigkeit verliere, in Zukunft wieder schwanger zu werden, widerspreche allem, was Ärztinnen und Ärzte gelernt haben.
Das Abtreibungsverbot in Idaho habe blutige Konsequenzen für Schwangere in Notfallsituationen, findet die Regierung Biden. Sie klagt vor dem höchsten Gericht der USA gegen Idahos Gesetz. Idahos Regierungsvertreter Raúl Labrador hält dagegen: «Die Biden-Regierung will das Recht in Idaho aushöhlen und die Wahl, ungeborenes Leben zu schützen.»
Auch in Wahlkampfvideos von Joe Biden geht es um das Leid von Frauen, die wegen Schwangerschaftskomplikationen in Lebensgefahr gerieten. Daran sei Donald Trump Schuld, der sehr konservative Richter ernannt hatte, so Joe Biden.
Carmen hat eine Organisation gegründet, die Menschen hilft, die in einer ähnlichen Situation sind, wie sie es erlebt hat. Sie will gegen das Abtreibungsverbot und für Selbstbestimmung der Frauen kämpfen.
Ich muss versuchen, meiner Tochter Selbstbestimmung über ihren Körper zu verschaffen.
«Ich habe so hart gearbeitet, um meine Tochter zu bekommen. Ich kann sie nicht in eine Zukunft entlassen, wo sie vielleicht an die Todestür klopft wie ich», so Carmen. «Ich muss versuchen, ihr Selbstbestimmung über ihren Körper zu verschaffen.»
Den Traum von einem Geschwister für Lucy hat Carmen aufgegeben. Die Angst bei ihr und ihrem Partner vor fatalen Schwangerschaftskomplikationen ist zu gross.