- Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hat einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten erlassen.
- Als Grund geben die Richterinnen und Richter «Kriegsverbrechen» an.
- Konkret verdächtigen die Strafverfolger den russischen Präsidenten der Mitschuld an der Deportation ukrainischer Kinder in die Russische Föderation.
Die Richter haben einem entsprechenden Antrag des Chefanklägers Karim Khan stattgegeben. Putin sei «mutmasslich verantwortlich für das Kriegsverbrechen der rechtswidrigen Deportation von Kindern und des rechtswidrigen Transfers von Kindern aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation».
Das Gericht erliess ausserdem einen Haftbefehl gegen Maria Alekseyevna Lvova-Belova, die Beauftragte für Kinderrechte im Büro des Präsidenten der Russischen Föderation, wegen ähnlicher Vorwürfe.
Putin soll Verantwortung für Deportationen tragen
Der ICC teilte mit, dass seine Vorverfahrenskammer «hinreichende Gründe für die Annahme hat, dass jeder Verdächtige die Verantwortung für das Kriegsverbrechen der rechtswidrigen Deportation der Bevölkerung und des rechtswidrigen Transfers der Bevölkerung aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation trägt, zum Nachteil ukrainischer Kinder».
In der Erklärung des Gerichts heisst es, es gebe «hinreichende Gründe zu der Annahme, dass Putin die individuelle strafrechtliche Verantwortung» für die Kindesentführungen trägt, «weil er die Taten direkt, gemeinsam mit anderen und/oder durch andere begangen hat (und) weil er es versäumt hat, die zivilen und militärischen Untergebenen, die die Taten begangen haben, ordnungsgemäss zu kontrollieren.»
Der Staatsanwalt am Strafgerichtshof, Karim Khan, hatte vor einem Jahr Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Khan war dreimal persönlich in der Ukraine, unter anderem in der Region Kiew, wo es in Butscha ein Massaker gegeben haben soll.
Ein Urteil mit Symbolcharakter
Die Haftbefehle sind ein erster Schritt hin zu einem möglichen Prozess gegen Putin. Ein solcher liegt noch in weiter Ferne, da Moskau die Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht anerkennt und seine Staatsangehörigen nicht ausliefert.
Aus früheren Verfahren wird deutlich, dass es schwierig ist, hochrangige Vertreter zur Rechenschaft zu ziehen. In mehr als 20 Jahren gab es lediglich fünf Verurteilungen wegen sogenannter Kernverbrechen. Bei keinem der Verurteilten handelt es sich um oberste Vertreter eines Machtapparats.
Obgleich die Ukraine das Römische Statut des Internationalen Gerichtshofs nicht ratifiziert hat, erkennt Kiew die Befugnis der Richter für seit 2014 auf ukrainischem Staatsgebiet verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen die Ukraine an. 2015 übergab der ukrainische Aussenminister Pawlo Klimkin in Den Haag eine entsprechende Erklärung. Kurz nach Ausbruch des Krieges hatte Chefankläger Khan bereits Ermittlungen in der Ukraine aufgenommen.