Selten haben die Winzer im Bordelais so früh mit der Ernte begonnen wie in diesem Sommer: Weisswein wurde ab Mitte August, Rotwein ab Anfang September geerntet. Das ist bis zu drei Wochen früher normal.
Doch reife Trauben im August bedeuten ein Risiko für die Qualität des Weins. «Hohe Temperaturen während der Lese schaden den Trauben», sagt Kees van Leeuven, Professor für Weinbau an der Universität Bordeaux-Agro. Die Früchte haben dann viel Zucker, aber wenig Säure.
Viel Alkohol, aber weniger Profil
Der Wein entwickelt zwar viel Alkohol, aber wenig aromatisches Profil. «Er gleicht im Aroma eher gekochten als frischen Früchten», so van Leeuven. Eine frühe Ernte sei aber vermutlich eine längerfristige Folge des Klimawandels.
Der Önologie-Professor aus Bordeaux erforscht die Folgen des Klimawandels für den Weinbau seit Jahren. Der ideale Zeitpunkt für die Weinernte sei der September, wenn es tagsüber noch warm bleibe, die Nächte aber bereits wieder kälter würden.
Wenn die Temperaturen noch weiter steigen würden, müsse man mittelfristig wärmeresistente Rebsorten finden, um mehr Zeit für die Reifung der Trauben gewinnen.
Das Ende der Merlot-Trauben im Bordelais
Die erste prominente Sorte, die dem Klimawandel im Bordelais zum Opfer fallen wird, dürfte Merlot sein. Sie ist die Haupt-Traubensorte im Weingebiet am französischen Atlantik. Merlot reift früh, darum wird ihr Ende im Bordelais wohl ab 2040 eingeläutet. Cabernet-Sauvignon reife etwas später und werde sich länger halten können, so van Leeuven.
Hohe Temperaturen während der Lese schaden den Trauben.
Eine Alternative sieht der Weinexperte etwa in der Rebsorte Touriga National aus Portugal. Sie reift später, sei qualitativ den traditionellen Bordeaux-Sorten aber ähnlich.
Tatsächlich lässt Frankreichs nationale Zulassungsbehörde Inao neuerdings Touriga National in der Bordeaux-Region zu. Sie darf vorläufig als Hilfstraube eingesetzt werden, die den Weinen mit maximal fünf Prozent beigefügt werden kann.
Pröbeln mit neuen Rebsorten
Weinbauern, die bereit sind, auf die Herkunftsbezeichnung Bordeaux zu verzichten und ihren Wein als «Vin de France» etikettieren, können aber auch weiter gehen. Das tut etwa Thomas Gomes, in Pellegrue, knapp 60 Kilometer östlich von Bordeaux. Um den Klimawandel auszugleichen, hat er schon länger nach Reben gesucht, die hitzeresistenter sind oder länger reifen können, als der traditionelle Merlot.
Auf seinem Weinberg von bloss 3.6 Hektaren Fläche baut Gomes inzwischen mehr als zehn verschiedene Rotweinsorten an. Neben bekannten Bordeaux-Reben wie Cabernet-Sauvignon oder Cabernet-Franc auch traditionelle Sorten, die zwischenzeitlich kaum mehr gepflegt wurden und weitgehend vergessen gingen.
Im traditionellen Weinbau Neues versuchen
Castets etwa ist eine Traube, die lange den Ruf hatte, sie werde im Bordeaux zu wenig reif. Sie profitiert vom Klimawandel. Weinbauer Gomes hat sie in einer kleinen Menge seiner Cuvée beigemischt. Sie bringe dem Wein viel Frucht, eine intensive dunkle Farbe und abgerundete Tannine, sagt er.
Er wolle nicht einfach die ausgetretenen Pfade gehen, sondern suche bewusst neue Aromen und teste andere Fabrikationsmethoden, als sie im Bordelais mehrheitlich üblich seien, betont der Weinbauer. Den Klimawandel sieht er darum auch als Herausforderung, im traditionellen Weinbau Neues zu versuchen.