Auf die Minute pünktlich erscheint Ngozi Okonjo-Iweala am Bildschirm im Zoom-Call. Nur um dann doch nochmals kurz für einen Telefonanruf zu verschwinden. «Der nigerianische Aussenminister sagt, ich soll zuerst das Interview machen. Das ist nicht einfach für einen Aussenminister, die sind ja immer in Eile.»
Ngozi Okonjo-Iweala weiss, wovon sie spricht. Sie war selbst einst Aussenministerin von Nigeria und insgesamt sieben Jahre lang Finanzministerin. Den Rest ihrer Karriere hat die 66-Jährige vor allem der Weltbank gewidmet. Ein Vierteljahrhundert war die Ökonomin dort tätig und stieg bis zur Vizepräsidentin auf.
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Bild 1 von 9. Diese acht Kandidaten und Kandidatinnen sind im Rennen um die Nachfolge des ehemaligen Generaldirektors der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevêdo. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 9. Abdel Hamid Mamdouh kommt aus Ägypten. Der 68-jährige Handelsspezialist war Abteilungsdirektor bei der WTO. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. Amina Mohamed war bis 2018 kenianische Aussenministerin und amtet derzeit als Bildungsministerin. Früher war die 58-Jährige kenianische WTO-Botschafterin. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. Der saudische Ex-Wirtschaftsminister Mohammad Maziad Al-Tuwaijri bewirbt sich ebenfalls um den WTO-Spitzenjob. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Yoo Myung-hee ist Handelsministerin in Südkorea. Die 53-Jährige ist die erste Frau im Land, die diese Position bekleidet. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 9. Der Brite Liam Fox war bis 2019 Handelsminister im Kabinett von Theresa May. Von 2010 bis 2011 amtete der heute 58-Jährige unter David Cameron als Verteidigungsminister. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 9. Tudor Ulianovschi ist der jüngste unter den Kandidaten und Kandidatinnen. Bis 2019 war der 37-Jährige Aussenminister der Republik Moldau. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 9. Ngozi Okonjo-Iweala war Aussenministerin von Nigeria und sieben Jahre lang Finanzministerin. Ein Vierteljahrhundert war die 66-Jährige als Ökonomin bei der Weltbank tätig und stieg bis zur Vizepräsidentin auf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Jesús Seade Kuri war nach der WTO-Gründung 1995 Vize-Chef der Welthandelsorganisation. Heute ist der 73-Jährige Chef-Verhandler Mexikos in Handelsfragen. Bildquelle: Keystone.
Die Nigerianerin, die seit einem Jahr auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt, sitzt in diversen Verwaltungsräten von der Standard Chartered Bank bis zu Twitter. Mehrfach wurde sie zu einer der einflussreichsten Frauen der Welt gekürt.
WTO in der Krise
Die Welthandelsorganisation steckt in der tiefsten Krise seit ihrer Gründung 1995. Die Mitgliedsländer sind derart zerstritten, dass sie sich nicht einmal auf einen Übergangschef einigen konnten.
Die Doha-Runde, welche die Handelsbedingungen zwischen den WTO-Mitgliedstaaten neu regeln sollte, wurde vor zwei Jahrzehnten begonnen und nie zu Ende geführt. Und auch der Welthandel steckt in der Krise: zunehmender Protektionismus, der Handelskrieg zwischen USA und China.
Es kann nicht sein, dass reiche Länder sich den Impfstoff vorzeitig sichern und für die armen Länder bleibt nichts mehr übrig.
Selbst in der Corona-Pandemie manifestiere sich der gewachsene Nationalismus der letzten Jahre, so Ngozi Okonjo-Iweala: «Da ist der Impf-Nationalismus. Doch es kann nicht sein, dass reiche Länder sich den Impfstoff vorzeitig sichern und für die armen Länder bleibt nichts mehr übrig.»
In den WTO-Regeln gäbe es Möglichkeiten in einer globalen Gesundheitskrise Impfungen allen zugänglich zu machen, ohne das Recht auf geistiges Eigentum zu verletzen. Die WTO könne und solle auch in der Gesundheitskrise eine wichtige Rolle spielen, ist die Anwärterin auf den WTO-Chefposten überzeugt.
Handel als Mittel zur Armutsreduktion
Dass der Nigerianerin gerade das Thema Impfungen ein Anliegen ist, überrascht nicht. Sie ist Vorsitzende der Impfallianz Gavi, einer Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft mit dem Ziel, den Zugang zu Impfungen zu verbessern. Doch auch sonst, dringt ihre jahrelange Tätigkeit als Entwicklungsökonomin im Gespräch immer wieder durch.
Handel hilft den Ländern aus der Armut herauszukommen.
Ngozi Okonjo-Iweala sieht in der WTO ein Instrument, um die armen Länder zu unterstützen. Oft spricht sie von Solidarität. Sie sieht den Welthandel nicht als Ziel, sondern als Mittel zum Zweck.
«Handel hilft den Ländern aus der Armut herauszukommen», so die 66-Jährige. Darum müsse es Aufgabe der neuen WTO-Direktorin sein, alle Länder einzubinden und sich gegen Ungleichheit einzusetzen. Die WTO als Schiedsrichterin, die die Regeln so aufstellt, dass auch die Schwachen im Welthandelsspiel gewinnen können.