Der Job ist schwierig, das Kandidatenfeld überschaubar. Fünf Männer und drei Frauen bewerben sich für den Posten des WTO-Generaldirektors. Diese Woche haben sie sich am Sitz der Welthandelsorganisation in Genf erstmals den Fragen der Botschafter der 164 Mitgliedstaaten gestellt.
Noch-Generaldirektor Roberto Azevêdo aus Brasilien hatte im Mai überraschend seinen vorzeitigen Rücktritt eingereicht. Gefragt sei jetzt «eine Person, die konsensfähige Lösungen erarbeiten kann und die politische Schlagkraft hat», sagt der Schweizer WTO-Botschafter Didier Chambovey.
Für Grossbritannien zum Beispiel geht der frühere Handelsminister Liam Fox ins Rennen, für Kenia die ehemalige WTO-Botschafterin und Aussenministerin Amina Mohamed. Der Kandidat Ägyptens, Abdel-Hamid Mamdouh, lebt in Genf und hat einen Schweizer Pass.
Als Top-Favorit war zunächst EU-Handelskommissar Phil Hogan gehandelt worden, doch kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist zog er sich zurück. Auch die Schweiz schickt niemanden ins Rennen.
Kein Wunder: Die WTO steckt in der wohl grössten Krise ihrer Geschichte. Die Organisation soll Handelshemmnisse beseitigen und Streitigkeiten schlichten. Doch 25 Jahre nach ihrer Gründung führen die USA, China und die EU einen globalen Handelskrieg.
Bis vor kurzem landeten viele Scharmützel zumindest vor dem Schiedsgericht der WTO. Es sanktionierte zum Beispiel kürzlich die EU wegen illegaler Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus, und auch China und die USA standen immer wieder am Pranger.
Viele Staaten haben weniger Protektionismus betrieben, weil sie wussten, dass sie damit gegen WTO-Regeln verstossen würde.
Doch im Dezember legten die USA den WTO-Schlichtungsmechanismus lahm, indem sie die Ernennung notwendiger Richterposten blockierten. Ein schwerer Schlag für die WTO.
Denn gerade in der letzten grossen Wirtschaftskrise vor rund zehn Jahren habe sich die Bedeutung des Mechanismus gezeigt, sagt Manfred Elsig, Professor am World Trade Institute (WTI) der Universität Bern. «Viele Staaten haben weniger Protektionismus betrieben, weil sie wussten, dass sie damit gegen WTO-Regeln verstossen würde.» Ohne Streitschlichtung, sagt Elsig, seien die Regeln aber nur noch «halb glaubwürdig».
Grosse Interessenunterschiede, schwacher Glaube
Regeln, die ohnehin in die Jahre gekommen sind. Denn die Weltwirtschaft ist im Umbruch. Der elektronische Handel wird immer wichtiger, Urheberrechte gewinnen an Bedeutung, China ist vom Entwicklungsland zur Wirtschafts-Supermacht aufgestiegen.
Doch die 164 WTO-Staaten haben es in den 25 Jahren kaum geschafft, sich auf Anpassungen des Regelwerks zu verständigen. Zu gross sind die Interessenunterschiede, zu schwach ist der Glaube an gemeinsame Ziele.
WTO droht nächste Blockade
Die Wahl des Generaldirektors erfolgt dennoch im Konsensverfahren, so sieht es das Reglement vor. In monatelangen zähen Verhandlungen werden die 164 WTO-Botschafter einen Kandidaten nach dem anderen aussortieren.
Spätestens am 7. November soll die Nachfolge von Roberto Azevêdo geregelt sein. Doch nicht nur die Querelen innerhalb der WTO, auch der Wahlkampf in den USA könnten das Prozedere in die Länge ziehen.
Zunächst werden sich die Mitgliedsstaaten auf einen Interimschef einigen müssen, denn Amtsinhaber Azevêdo räumt bereits Ende August sein Büro. Zur Auswahl stehen vier Vize-Generaldirektoren: darunter ausgerechnet ein US-Amerikaner, ein Chinese und ein Deutscher. Bereits droht der WTO die nächste Blockade.