Der Job ist schwierig, das Kandidatenfeld überschaubar. Fünf Männer und drei Frauen bewerben sich für den Posten des WTO-Generaldirektors. Diese Woche haben sie sich am Sitz der Welthandelsorganisation in Genf erstmals den Fragen der Botschafter der 164 Mitgliedstaaten gestellt.
Noch-Generaldirektor Roberto Azevêdo aus Brasilien hatte im Mai überraschend seinen vorzeitigen Rücktritt eingereicht. Gefragt sei jetzt «eine Person, die konsensfähige Lösungen erarbeiten kann und die politische Schlagkraft hat», sagt der Schweizer WTO-Botschafter Didier Chambovey.
Für Grossbritannien zum Beispiel geht der frühere Handelsminister Liam Fox ins Rennen, für Kenia die ehemalige WTO-Botschafterin und Aussenministerin Amina Mohamed. Der Kandidat Ägyptens, Abdel-Hamid Mamdouh, lebt in Genf und hat einen Schweizer Pass.
Als Top-Favorit war zunächst EU-Handelskommissar Phil Hogan gehandelt worden, doch kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist zog er sich zurück. Auch die Schweiz schickt niemanden ins Rennen.
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Bild 1 von 9. Diese acht Kandidaten und Kandidatinnen sind im Rennen um die Nachfolge des ehemaligen Generaldirektors der Welthandelsorganisation (WTO), Roberto Azevêdo. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 9. Abdel Hamid Mamdouh kommt aus Ägypten. Der 68-jährige Handelsspezialist war Abteilungsdirektor bei der WTO. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 9. Amina Mohamed war bis 2018 kenianische Aussenministerin und amtet derzeit als Bildungsministerin. Früher war die 58-Jährige kenianische WTO-Botschafterin. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 9. Der saudische Ex-Wirtschaftsminister Mohammad Maziad Al-Tuwaijri bewirbt sich ebenfalls um den WTO-Spitzenjob. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 9. Yoo Myung-hee ist Handelsministerin in Südkorea. Die 53-Jährige ist die erste Frau im Land, die diese Position bekleidet. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 9. Der Brite Liam Fox war bis 2019 Handelsminister im Kabinett von Theresa May. Von 2010 bis 2011 amtete der heute 58-Jährige unter David Cameron als Verteidigungsminister. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 9. Tudor Ulianovschi ist der jüngste unter den Kandidaten und Kandidatinnen. Bis 2019 war der 37-Jährige Aussenminister der Republik Moldau. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 9. Ngozi Okonjo-Iweala war Aussenministerin von Nigeria und sieben Jahre lang Finanzministerin. Ein Vierteljahrhundert war die 66-Jährige als Ökonomin bei der Weltbank tätig und stieg bis zur Vizepräsidentin auf. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 9. Jesús Seade Kuri war nach der WTO-Gründung 1995 Vize-Chef der Welthandelsorganisation. Heute ist der 73-Jährige Chef-Verhandler Mexikos in Handelsfragen. Bildquelle: Keystone.
Kein Wunder: Die WTO steckt in der wohl grössten Krise ihrer Geschichte. Die Organisation soll Handelshemmnisse beseitigen und Streitigkeiten schlichten. Doch 25 Jahre nach ihrer Gründung führen die USA, China und die EU einen globalen Handelskrieg.
Bis vor kurzem landeten viele Scharmützel zumindest vor dem Schiedsgericht der WTO. Es sanktionierte zum Beispiel kürzlich die EU wegen illegaler Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus, und auch China und die USA standen immer wieder am Pranger.
Viele Staaten haben weniger Protektionismus betrieben, weil sie wussten, dass sie damit gegen WTO-Regeln verstossen würde.
Doch im Dezember legten die USA den WTO-Schlichtungsmechanismus lahm, indem sie die Ernennung notwendiger Richterposten blockierten. Ein schwerer Schlag für die WTO.
Denn gerade in der letzten grossen Wirtschaftskrise vor rund zehn Jahren habe sich die Bedeutung des Mechanismus gezeigt, sagt Manfred Elsig, Professor am World Trade Institute (WTI) der Universität Bern. «Viele Staaten haben weniger Protektionismus betrieben, weil sie wussten, dass sie damit gegen WTO-Regeln verstossen würde.» Ohne Streitschlichtung, sagt Elsig, seien die Regeln aber nur noch «halb glaubwürdig».
Grosse Interessenunterschiede, schwacher Glaube
Regeln, die ohnehin in die Jahre gekommen sind. Denn die Weltwirtschaft ist im Umbruch. Der elektronische Handel wird immer wichtiger, Urheberrechte gewinnen an Bedeutung, China ist vom Entwicklungsland zur Wirtschafts-Supermacht aufgestiegen.
Doch die 164 WTO-Staaten haben es in den 25 Jahren kaum geschafft, sich auf Anpassungen des Regelwerks zu verständigen. Zu gross sind die Interessenunterschiede, zu schwach ist der Glaube an gemeinsame Ziele.
WTO droht nächste Blockade
Die Wahl des Generaldirektors erfolgt dennoch im Konsensverfahren, so sieht es das Reglement vor. In monatelangen zähen Verhandlungen werden die 164 WTO-Botschafter einen Kandidaten nach dem anderen aussortieren.
Spätestens am 7. November soll die Nachfolge von Roberto Azevêdo geregelt sein. Doch nicht nur die Querelen innerhalb der WTO, auch der Wahlkampf in den USA könnten das Prozedere in die Länge ziehen.
Zunächst werden sich die Mitgliedsstaaten auf einen Interimschef einigen müssen, denn Amtsinhaber Azevêdo räumt bereits Ende August sein Büro. Zur Auswahl stehen vier Vize-Generaldirektoren: darunter ausgerechnet ein US-Amerikaner, ein Chinese und ein Deutscher. Bereits droht der WTO die nächste Blockade.