US-Präsident Donald Trump hält längst nicht immer, was er verspricht. Ging es aber darum, internationalen Verträgen oder Organisationen den Rücken zu kehren, liess er bisher seinen Worten Taten folgen. Nun auch bei der WHO.
Eine seltsame Schuldzuweisung
Die Begründung für den US-Austritt, die WHO habe versagt, ist zwar eine durchsichtige Ablenkung vom eigenen Dilettantismus in der Corona-Bekämpfung. Da macht nämlich Washington wegen Trump sehr vieles falsch, die WHO mit Sitz in Genf hingegen sehr vieles richtig.
Auch der Vorwurf, die UNO-Organisation habe Daten verheimlicht, lässt sich nicht belegen. Sie konnte schlicht nicht schneller warnen, weil China ihr am Anfang der Krise wichtige Informationen vorenthielt.
Chinas wachsender Einfluss
Eher ernst zu nehmen ist der Vorwurf, China sei zu mächtig in der WHO. Und ihr Generaldirektor Tedros Ghebreyesus habe das chinesische Regime geradezu penetrant gelobt – dies allerdings in der Absicht, Peking zur vollen Kooperation beim Kampf gegen Corona zu bewegen.
Richtig ist: Chinas Einfluss in der WHO ist gewachsen, genauso wie in der UNO, ja in der Welt überhaupt. Trumps Rückzug sorgt nun dafür, dass er weiter zunimmt. Wo keine US-Führung mehr ist, keine «US-Leadership», wie sie frühere Präsidenten stets anmahnten, machen sich andere breit. Trump schwächt seit seinem Amtsantritt die Weltgeltung der USA wie keiner seiner Vorgänger.
Ein grosser Brocken
Das akute Problem für die WHO ist nun ein finanzielles: Wer übernimmt die rund 450 Millionen Dollar oder rund 15 Prozent, die bisher die USA als obligatorische und freiwillige Beiträge an die WHO entrichtet haben?
Zahlen die verbleibenden 193 Mitgliedsländer mehr? Zumindest die reicheren, die Europäer, Japan, Kanada, China? Oder muss die WHO noch stärker als bisher auf Zuwendungen von Stiftungen wie der Gates-Stiftung, der Gavi-Impfallianz oder der Rotary International Foundation setzen oder auf Kooperationen mit der Pharmaindustrie? Das ist problematisch, weil solche Geldgeber oft ihre eigenen Ziele durchsetzen wollen.
Die WHO Foundation als Hoffnungsschimmer
Oder spielt künftig die neu gegründete WHO Foundation eine Rolle, bei welcher der frühere Direktor des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit, Thomas Zeltner, eine treibende Kraft ist, und die in den nächsten drei, vier Jahren eine Milliarde für die WHO mobilisieren will? Klappt all das nicht, muss die WHO den Gürtel enger schnallen – keine frohe Aussicht in Zeiten, da sie gebraucht wird wie kaum je zuvor.
In den USA selber ist Trumps Entscheidung höchst umstritten, selbst manche Republikaner haben Bedenken. Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden kündigt gar an, sie – sollte er gewählt werden – sofort rückgängig zu machen.
Ein klassisches Eigentor
Isolationisten und Impfgegner in den Vereinigten Staaten blenden das zwar aus, doch der Auszug Washingtons aus der WHO schadet nicht zuletzt den USA selber – nicht nur, weil er Chinas Machtausweitung begünstigt.
Sondern vor allem, weil eine Pandemie nur besiegt ist, wenn sie überall in der Welt besiegt ist – also auch in armen Ländern. Gerade dort engagiert sich die WHO. Wüten nämlich Corona oder andere Erreger irgendwo weiter, kehren Krankheiten eher früher als später auch wieder in die USA und überallhin zurück.