Zu Land, zu Wasser, und nun auch im All: Der Mensch breitet sich immer weiter aus – und hinterlässt dabei nicht nur harmlose Fussabdrücke, sondern auch viel Müll. So auch in der Erdumlaufbahn. Wie eng es im Orbit inzwischen geworden ist, zeigte sich Anfang März. Die Raumstation ISS musste in eine andere Umlaufbahn bugsiert werden, um einen Zusammenstoss mit Weltraumschrott zu vermeiden.
Thomas Schildknecht, Professor für Astronomie an der Universität Bern, spricht von einem seriösen Problem: «Satelliten müssen sehr oft Weltraumschrott ausweichen.»
Crashs mit fatalen Folgen
Kollisionen im Weltraum können fatale Folgen haben – auch auf der Erde. Die umherfliegenden Trümmerteile bedrohen nämlich satellitengestützte Dienste wie GPS, Wettervorhersage oder Kommunikationssysteme.
Jetzt rufen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Handeln auf: Es brauche einen verbindlichen globalen Vertrag, damit die Erdumlaufbahn nicht zur Abfalldeponie verkommt.
Richtlinien zur Vermeidung von Weltraumschrott gibt es zwar bereits seit mehr als zehn Jahren – abgesegnet von der UNO. Diese beschränken sich aber laut Schildknecht auf recht «generische Vorgaben»: So sollen etwa keine Objekte im Orbit zurückgelassen oder Explosionen verhindert werden.
Ozean-Abkommen als Vorbild
«Nun sollen einzelne Länder, die Lizenzen für Satelliten herausgeben, diese Richtlinien in Gesetzgebungen umsetzen müssen», fasst der Astronom die Forderung der Forschungsgemeinde zusammen. Es brauche jetzt Gesetze, die Fehlverhalten sanktionieren und die Reinhaltung des Weltraums fördern und belohnen.
In der Luftfahrt und der Hochseeschifffahrt existieren vergleichbare internationale Verträge. Jüngst konnte nach jahrelangen Verhandlungen auch ein Abkommen zum Schutz der Ozeane verabschiedet werden – ein historischer Erfolg.
In der Raumfahrt erhofft sich der Schweizer Astronom einen ähnlichen Durchbruch. Dort gehen die letzten verbindlichen Verträge auf das Jahr 1967 zurück. «Seither gibt es nur noch unverbindliche Richtlinien.» Schildknecht macht sich allerdings keine Illusionen: In naher Zukunft dürfte es kaum rechtlich bindende Vorgaben für ein sauberes All geben.
Wir müssen jetzt möglichst schnell eine Null-Weltraumschrott-Politik implementieren.
Schildknecht plädiert deswegen dafür, dass sich die Hauptakteure in der Raumfahrt selbst strengere Regeln auferlegen – im ureigenen Interesse. So hofft er, dass sich unter den dominierenden Raumfahrtstaaten USA, China und Russland allmählich ein Modus Vivendi im Orbit etabliert.
Das wäre auch dringend nötig. Denn mit dem Boom kommerzieller Satelliten steigt die Kollisionsgefahr weiter. «Heute platzieren private Unternehmen tausende Satelliten im Weltall», sagt der Astronom. «Die Raumfahrt hat sich in den letzten zehn Jahren komplett verändert.»
Sofortmassnahme «Zero Waste»
Für Schildknecht ist klar: «Wir müssen jetzt möglichst schnell eine Null-Weltraumschrott-Politik implementieren.» Konkret: Alles, was man in den Orbit schiesst, muss dereinst auch wieder zurückgebracht oder zum Absturz gebracht werden. Eine andere Möglichkeit ist, das All aktiv zu säubern. Solche Technologien werden bereits entwickelt – unter anderem in der Schweiz.
Schliesslich plädiert Schildknecht dafür, weitere Technologien für Aufräumarbeiten im All zu entwickeln, um den Orbit von toten Objekten zu säubern.