Die Kandidaten der Vorwahlen:
- Manuel Valls (Parti socialiste)
- Arnaud Montebourg (Parti socialiste)
- Benoît Hamon (Parti socialiste)
- Vincent Peillon (Parti socialiste)
- Sylvia Pinel (Parti radical de gauche)
- François de Rugy (Parti écologiste)
- Jean-Luc Bennahmias (Front démocrate)
SRF News: Als aussichtsreichster Kandidat der Sozialisten bei den Vorwahlen gilt Ex-Premier Manuel Valls. Wird seine starke Rolle in der unbeliebten Regierung Hollande nicht zum Problem?
Liebherr: Valls ist innerhalb der Partei recht gut verankert. Seine Loyalität als Premierminister gegenüber Hollande wird ihm aber durchaus zur Last gelegt. Die Begeisterung für Valls hält sich in Grenzen. Viele pragmatische Sozialisten werden aber die Rechnung machen, dass Valls als Präsidentschaftskandidat vielleicht die besseren Chancen hat als andere.
Valls hat Mühe, glaubwürdig zu sein.
Valls wagt den politischen Spagat, will beim linken Flügel und dem rechten Flügel der Partei punkten. Kann das gut gehen?
Valls schleift an seinen Ecken und Kanten. Er kann gar nicht anders, denn als Minister und Premier polarisierte er in seiner Partei sehr stark und muss nun versuchen, auch beim linken Flügel der Sozialisten Stimmen zu holen.
Wie will er das schaffen?
Valls will an der 35-Stunden-Woche festhalten, verspricht weitere Steuererleichterungen für tiefe Einkommen und den Ausbau des Sozialstaates mit mehr Beamten für Sicherheit und Bildung. Doch Valls hat Mühe, glaubwürdig zu sein. Wenn er heute sagt, dass er einiges anders machen würde als Premier, dann wirkt das etwas aufgesetzt und opportunistisch. Warum hat er sich nicht früher klarer von Hollande distanziert?
Welche parteiinternen Konkurrenten könnten für Valls bei am gefährlichsten werden? Die dezidierten linken Kandidaten Arnaud Montebourg und Benoît Hamon?
Montebourg und Hamon sind die Herausforderer innerhalb der Partei. Sie kritisieren Hollande und Valls seit Monaten am stärksten. Sie wollen vor allem die Wirtschafts- und Arbeitsmarktreformen von Hollande rückgängig machen. Beide plädieren für höhere Staatsausgaben, um den Konsum anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit letztlich zu senken. Die Wählerinnen und Wähler haben also bei den Vorwahlen einen Richtungsentscheid zu fällen. Normalerweise macht man das an einem Parteitag. Weil das nie erfolgte, findet das nun bei Vorwahlen statt. Das Ergebnis kann niemand kennen. Auch Überraschungen sind möglich.
Das Grab haben sich die Sozialisten selber geschaufelt.
Der Ex-Finanzminister Emmanuel Macron sowie der Ex-Bildungsminister Jean-Luc Mélenchon verweigern sich der Vorwahl. Sie treten als Unabhängige ohnehin zur Präsidentschaftswahl an. Wie gross sind ihre Chancen?
Beide haben gemäss aktuellen Umfragen gute Chancen, mehr Wählerstimmern als die Sozialisten zu erhalten. Aber im Moment erreichen beide nicht mehr Zustimmung als der rechte Präsidentschaftskandidat François Fillon oder Marine Le Pen vom Front National. Das heisst, selbst sie würden bei der Präsidentschaftswahl ausscheiden.
Macron und Mélenchon sind mitverantwortlich, dass es bei den Linken keine Einigung auf einen einzigen Präsidentschaftskandidaten gab. Sind sie die eigentlichen Totengräber einer erfolgreichen linken Präsidentschaftskandidatur?
Nein, sie sind ein Beispiel dafür, dass die Linke vielfältig ausgeprägt ist. Es gab nie eine homogene Linke und immer nur eine Linke, die sich zuweilen aufraffte, geschlossen hinter einem Kandidaten zu stehen. 2017 wird das nicht mehr möglich sein, weil die Sozialisten zu schwach sind. Sie haben es nicht geschafft, als unbestrittene stärkste Gruppe zu bestehen. Das Grab haben sich die Sozialisten selber geschaufelt.
Die politische Linke ist so zersplittert, dass sie nicht gewinnen kann.
Ist an Fillon und Le Pen bei der Präsidentschaftswahl kein Vorbeikommen?
Inhaltlich wäre da eigentlich Platz. Alle Kandidaten im linken Lager stellen eine echte politische Alternative zum sehr rechtskonservativen und wirtschaftsliberalen Programm von François Fillon dar. Ebenso zum rechtsnationalistischen und antieuropäischen Programm von Marine Le Pen. Doch das französische Wahlsystem erfordert bei Präsidentschaftswahlen Geschlossenheit innerhalb einer politischen Familie. Die politische Linke ist so zersplittert, dass sie nicht gewinnen kann.
Fragen von Benedikt Widmer.