Es liegt eine angespannte Ruhe über dem politischen Berlin. Wetten würde im Moment wohl keiner mehr, wer denn nun gemeinsamer Kanzlerkandidat von CDU und CSU werden wird. Dabei schien die Sache doch eigentlich glasklar.
Die gesamte CDU-Parteispitze hatte sich hinter ihren Chef Armin Laschet gestellt und die Sache damit vermeintlich entschieden. Laschets Auftritt danach wirkte so gelöst und selbstbewusst wie lange nicht mehr. Es schien, als liesse er sich die Kandidatur nun nicht mehr nehmen.
Ein Manöver, mit dem die wenigsten gerechnet hatten
Doch Markus Söder gab nicht kampflos auf. Tags zuvor noch jovial zum Rückzug bereit, setzte der Bayer zu einem Manöver an, mit dem die wenigsten gerechnet hatten: Er suchte die offene Konfrontation. Präsidium und Vorstand der CDU degradierte er zum «Hinterzimmergremium», das die wichtige Kanzler-Frage nicht alleine entscheiden dürfe.
Umfragekönig Söder folgte dem «Ruf» des Volkes, der ihn erreicht habe und trete an, die CDU im Interesse des Landes zum Sieg zu führen. Armin Laschet wirkte übertölpelt und sah sich zu einer Aussprache in der Bundestagsfraktion genötigt, die er kurz zuvor noch ausgeschlossen hatte.
Revolution von unten
Ähnlich wie Donald Trump in den USA versucht Söder nun, die Partei mit der Aussicht auf Sieg hinter sich zu scharen – gegen den Willen des «Establishments». Vielen Abgeordneten drohe der Verlust ihres Mandates, wenn die Partei auf das falsche Pferd setze, warnte Söder öffentlich. Sein Ziel: Eine Revolution von unten.
Die Fraktionssitzung tags darauf wurde zu einer der längsten je dagewesenen. Von einem Misstrauensvotum gegen den CDU-Chef Laschet war die Rede. Viele Abgeordnete, auch aus der eigenen Partei, sprachen ihm die Kanzlerfähigkeit ab. Die konzertierte Aktion des Söder-Lagers prägte das Meinungsbild. Und wieder wirkte Laschet übertölpelt.
Es steckt noch Leben in der Union
Mittlerweile sind erste CDU-Ministerpräsidenten gekippt: Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt sprach sich indirekt für Söder aus. Und auch der saarländische CDU-Ministerpräsident Tobias Hans äusserte sich ähnlich. Selbst wenn in der Geschichte bisher jeder Bayer, der sich für den besseren Kanzler hielt, gescheitert ist.
Unabhängig davon, welcher der Kontrahenten das Rennen macht, könnten beide mit einem Sieg ihre Durchsetzungskraft unter Beweis stellen. Und die brachiale Fehde mag von den Medien nicht gutgeheissen werden, aber es gibt erste Anzeichen, dass sie der Union nicht zwingend schaden muss. Zum ersten Mal seit Wochen stieg diese zuletzt in der Gunst der Wähler und Wählerinnen. Als ob der innerparteiliche Schlagabtausch die Hoffnung vieler Konservativer weckte, es könnte doch noch Leben in der erschlafften Union stecken.