Ob die amerikanisch-britische Kritik an Russland stichhaltig ist – ob Russland tatsächlich eine im Weltraum stationierte Antisatellitenwaffe getestet hat – wissen wir nicht. Doch die Anschuldigung ist plausibel. Zumal die USA, Russland und China die Militarisierung des Weltraums vorantreiben. Aber auch weitere Länder tun dies; Indien, Frankreich, Japan etwa. Sie werfen sich Heuchelei vor – zu Recht.
Präsident Donald Trumps Weltraumstreitkräfte sollen «nicht nur die US-Präsenz im All sichern, sondern für US-Dominanz sorgen». Auch China und Russland definieren den Weltraum als militärisches Operationsgebiet. Relativ spät tat das vor einigen Monaten auch die westliche Militärallianz.
Keine Waffen am Himmel
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht von einer neuen Dimension. Neben der Erde, der See, der Luft und dem Cyberraum dringt das Militär nun auch ins Weltall vor. Allerdings wolle das Bündnis keine Waffen am Himmel stationieren. Alles solle defensiv ausgerichtet sein.
Bloss: Zwischen offensiven und defensiven Kapazitäten lässt sich oft nicht unterscheiden. Wer seine Satelliten mit Waffengewalt schützen kann, kann auch jene des Gegners abschiessen. China und Russland hätten das grössere Interesse, das zu tun, sagt der frühere US-Aussenminister Frank Rose, der heute für die liberale Denkfabrik Brookings tätig ist.
Die US-Aufklärungskapazitäten im Weltall sind jenen Russlands und Chinas überlegen. Also brächte es diesen Staaten Vorteile, sie lahmzulegen. Der Westen, so Rose, müsse Moskau und Peking davon abhalten und die eigenen Installationen vor Angriffen schützen.
«Die Gefahr, dass immer mehr Länder und nichtstaatliche Akteure im All aktiv werden, steigt», sagt Timothy Wright vom Londoner Strategieinstitut IISS. Früher hätten solche Vorhaben jahrzehntelanger Vorarbeiten bedurft. Doch die Eintrittshürde sinke.
Weltraumvertrag von 1967 bleibt zu vage
Satelliten lassen sich hacken und zerstören. Mit dramatischen Folgen für die zivile Navigation, Kommunikation, für die Meteorologie, aber ebenso für die moderne Kriegsführung, die zunehmend satellitengestützt ist.
Eine Atommacht könnte einen Angriff auf ihre Infrastruktur im All als Versuch interpretieren, sie daran zu hindern, notfalls ihre Nuklearwaffen einzusetzen. Das könnte zu einer Eskalation und im Extremfall zu einem Atombombeneinsatz führen, warnt Wright.
Doch was ist mit dem seinerzeit gefeierten internationalen Weltraumvertrag von 1967? Er verlangt, das Weltall der friedlichen Nutzung vorzubehalten. Konkret und konsequent verbietet er jedoch einzig die Stationierung von Atomwaffen im All. Ansonsten bleibt er vage. Er müsste dringend modernisiert werden.
Gespräche zwischen USA und Russland
Doch die Verhandlungen im Rahmen der UNO-Abrüstungskonferenz in Genf verlaufen im Schneckentempo. Bisher kam man nicht weiter, als Elemente für ein neues Weltraumabkommen zu diskutieren. Am Ende der letzten Gesprächsrunde in Genf meinte der brasilianische Verhandlungsleiter Guilherme Patriota gegenüber SRF, es wäre bedauerlich, wenn es nicht weiterginge. Doch genau das ist passiert.
Dafür sprechen diese Woche Amerikaner und Russen in Wien über Weltraumsicherheit, erstmals seit 2013. Immerhin. Nicht am Tisch sitzen die Chinesen. Ziel der Gespräche ist es, klarzumachen, dass der Weltraum kein rechtloser Raum ist. Doch die Meinungen, wie das geschehen soll, klaffen auseinander. Die Chancen für eine Annäherung werden als äusserst gering eingeschätzt.