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WHO-Chef beinahe getötet Israel intensiviert Angriffe auf den Jemen – warum?

Zuletzt hat Israel den Flughafen in der Hauptstadt angegriffen. Hat das etwas mit dem Fall des syrischen Regimes zu tun?

Was ist passiert? Israel und die Huthi-Miliz im Jemen intensivieren ihre Angriffe. Am Donnerstag hatte Israel den internationalen Flughafen der Hauptstadt Sanaa, mehrere Häfen und zwei Kraftwerke angegriffen. Gemäss dem Gesundheitsministerium wurden sechs Menschen getötet und mehr als 40 verletzt. Es war der vierte israelische Gegenschlag auf den Jemen seit Ausbruch des Gaza-Kriegs. In der darauffolgenden Nacht haben die Huthi gemäss der israelischen Armee eine Rakete auf Israel abgefeuert, die aber abgefangen wurde.

Angriff auf Flughafen in Sanaa: WHO-Chef beinahe getötet

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Der Kontrollturm des Flughafens Sanaa wurde beim israelischen Angriff in Mitleidenschaft gezogen: ist stark beschädigt.
Legende: EPA/YAHYA ARHAB

Beim jüngsten israelischen Angriff im Jemen wurden informierten Kreisen am internationalen Flughafen in Sanaa zufolge ein Kontrollturm, eine Abflughalle und grosse Teile der Start- und Landebahnen getroffen.

Bei den Angriffen war auch ein Team der Weltgesundheitsorganisation um WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus unter Feuer geraten. «Als wir vor etwa zwei Stunden für unseren Flug aus Sanaa an Bord gehen wollten, wurde der Flughafen bombardiert», schilderte der Generaldirektor auf der Plattform X .

Warum führt Israel diese Angriffe durch? Israel wirft den Huthi vor, zivile Infrastruktur für militärische Zwecke zu nutzen, etwa für den Schmuggel von Waffen aus dem Iran. Aus israelischer Sicht seien die jüngsten Angriffe auf Jemen eine Reaktion auf die sich intensivierenden Angriffe der Huthi auf Israel, sagt ARD-Nahostkorrespondentin Sabina Matthay. Zwar stellten die Huthi keine existenzielle Bedrohung für Israel dar – nicht wie die Hamas oder die Hisbollah –, trotzdem könne Israel die Angriffe nicht hinnehmen. Dass Hamas und Hisbollah aktuell geschwächt sind und in Syrien das Assad-Regime gestürzt ist – das laut Matthay ein wichtiger Faktor in dieser Achse gewesen ist –, trage dazu bei, dass Israel sich nun stärker auf die Huthi konzentrieren könne.

Warum führen die Huthi diese Angriffe durch? Die islamistische Miliz begründet ihre Angriffe mit der Solidarität mit der Hamas. Wie sie zählen auch die Huthi zur Achse des Widerstandes, die der Iran im Nahen Osten als Drohkulisse gegen Israel aufgebaut habe, so Matthay. Beobachter sähen aber noch andere Gründe für die Angriffe der Huthi: Um eigene oder iranische Raketen zu testen, um von innenpolitischen Problemen abzulenken oder um als neuer «Seniorpartner» dieser Achse aufzutreten und der Hisbollah den Rang abzulaufen.

Wie stark sind die Huthi militärisch?

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Laut Nahostkorrespondentin Matthay ist nicht öffentlich bekannt, wie gross der Waffenvorrat der Huthi ist. Allerdings gebe es einen Bericht des US-Verteidigungsministeriums aus dem Frühjahr 2024. Demnach komme das Arsenal zum grossen Teil aus dem Iran, darunter Drohnen mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern und weitreichenden Raketen mit ähnlicher Reichweite.

Nach Einschätzung von Fachleuten haben die Huthi gezeigt, dass sie mit wenigen Angriffen viel Schaden anrichten können. Die Huthi arbeiten auch an eigenen Drohnen- und Raketenprogrammen und versuchen schon seit längerem, sich vom Nachschub aus Iran unabhängig zu machen.

Dennoch sagt Matthay: «Sollte Israel sich der Huthi verstärkt vornehmen, dann könnte es denen ähnlich ergehen wie ihren Verbündeten in der Achse des Widerstands.» Sie betont aber auch, dass sich die Huthi in der Vergangenheit gegen US-amerikanische Luftangriffe und gegen den gut ausrüsteten amerikanischen Verbündeten Saudi-Arabien bereits behauptet hätten.

Wie gross ist die Gefahr einer weiteren Eskalation im Nahen Osten? Matthay sieht keine Gefahr, dass der Konflikt zwischen dem Jemen und Israel in einem weiteren Krieg eskalieren könnte. Kurzzeitige militärische Verschärfungen ja, aber beispielsweise keine militärische Invasion in jemenitisches Gebiet.

Werden die Angriffe aufhören? Vermutlich nicht. Die Huthi fühlten sich durch Israels Aggressionen bestärkt, ihre Angriffe fortzusetzen. Die Angriffe würden nicht eingestellt werden, «bis die Aggression gegen Gaza aufhört und die Belagerung aufgehoben wird», teilten die Huthi mit. Und auch Israel sei entschlossen, den «Arm der iranischen Achse des Bösen» abzuschneiden, kündigte Regierungschef Benjamin Netanjahu an.

Sorge um humanitäre Lage im Jemen: Laut dem UNO-Generalsekretär António Guterres sind die jüngsten israelischen Angriffe «besonders alarmierend». Er rief beide Parteien zur Deeskalation auf. Luftangriffe auf die Häfen am Roten Meer und den Flughafen von Sanaa würden die humanitäre Lage «in einer Zeit, in der Millionen von Menschen lebensrettende Hilfe benötigen, ernsthaft gefährden». Allerdings leide die jemenitische Zivilbevölkerung schon seit Jahrzehnten unter dem Bürgerkrieg und nun der Macht der Huthi, sagt ARD-Korrespondentin Matthay. «Die Huthi pressen das eigene Land, die eigene Bevölkerung aus.» Ob die israelischen Luftangriffe tatsächlich dazu führten, dass die humanitären Lieferungen beeinträchtigt werden, könne sie nicht beurteilen. Aber sie glaube dennoch, dass auch Israel ein Recht auf Selbstverteidigung habe.

Echo der Zeit, 27.12.2024, 18:00 Uhr ; 

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