Die Schweiz will ein Treffen der Vertragsparteien der Genfer Konventionen über den Nahost-Konflikt einberufen. Die UNO-Generalversammlung hat ihr am Mittwoch in New York ein entsprechendes Mandat erteilt. Die Konferenz soll innerhalb von sechs Monaten stattfinden.
Doch: Wer ist dabei, ist es vergleichbar mit dem Format der Ukraine-Konferenz diesen Sommer? Und ist die Schweiz dafür gewappnet? Antworten auf die drängendsten Fragen vom internationalen Korrespondenten Sebastian Ramspeck.
Warum hat die Schweiz dieses UNO-Mandat erhalten?
Die Schweiz ist der sogenannte Depositarstaat der Genfer Konventionen – oder Verträge – über das Recht im Krieg. Das heisst zum Beispiel, dass die Schweiz das Original dieser Konventionen aufbewahrt. Zu ihren Aufgaben als Depositarstaat gehört aber auch, auf Wunsch der anderen Vertragsstaaten Konferenzen durchzuführen. Die UNO-Generalversammlung hat ihr nun einen solchen Auftrag erteilt, und zwar mit Blick auf die Vierte Genfer Konvention und die Palästinensergebiete, die Israel besetzt hält.
Ist dieses Treffen vergleichbar mit der Ukraine-Konferenz?
Nein. Für die Ukraine-Konferenz hatte sich die Schweiz selbst als Gastgeberin anerboten. Ziel war es, mit möglichst vielen unterschiedlichen Staaten – aber unter Ausschluss Russlands – über Frieden in der Ukraine zu diskutieren. Viele Staats- und Regierungsoberhäupter aus der ganzen Welt sind dafür in die Schweiz gereist. Ich gehe davon aus, dass die Nahost-Konferenz viel weniger Schlagzeilen machen wird. Die Staaten dürften nämlich nicht auf höchster Ebene, sondern bloss von Diplomatinnen und Beamten vertreten sein. Diese sollen den Nahost-Konflikt vor allem mit Blick auf rechtliche Fragen beraten. Es geht etwa um das Recht im Krieg, auch humanitäres Völkerrecht genannt, konkret um den Schutz der Zivilbevölkerung.
Wird Israel an der Konferenz teilnehmen?
Ich gehe davon aus, dass Israel nicht teilnehmen wird. Die israelische Regierung teilte mir heute Nachmittag mit, der UNO-Entscheid sei eine «Belohnung für Terrorismus und Extremismus». Bereits an der letzten Nahost-Konferenz auf der Grundlage der Genfer Konventionen im Jahr 2014 war Israel nicht vertreten. Auch die USA, Israels engster Verbündeter, waren damals nicht dabei.
Was ist inhaltlich von der Konferenz zu erwarten?
Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass die Staaten, die teilnehmen, eine gemeinsame Erklärung verabschieden und darin die Einhaltung der Genfer Konventionen anmahnen, aber auch das Ende des illegalen israelischen Siedlungsbaus in den Palästinensergebieten. Es ist jedoch noch zu früh, um die Resultate der Konferenz vorauszusagen.
Die Konferenz soll in den nächsten sechs Monaten stattfinden – zu ambitioniert?
Nein. Die UNO hat in Genf einen ihrer Sitze. Dort finden häufig grosse Konferenzen mit Hunderten von Diplomatinnen und Diplomaten aus der ganzen Welt statt. Die Infrastruktur ist vorhanden.
Kann die Ausrichtung einer Nahost-Konferenz für die Schweiz auch heikel sein?
Die Rolle des Bundesrats und der Schweizer Diplomatie im Nahost-Konflikt ist innenpolitisch umstritten. Die einen kritisieren sie als zu Israel-freundlich, die anderen als zu Palästinenser-freundlich. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass die Konferenz auch in der Schweiz zu reden geben wird, insbesondere, wenn sie von Israel und den USA abgelehnt wird.