Russische Hacker drangen vor den US-Präsidentschaftswahlen in Computersysteme der Demokratischen Partei ein. Später wurden Dokumente veröffentlicht, die Hillary Clinton schaden sollten. Sicherheitsexperte Thomas Rid geht davon aus, dass solche Operationen in anderen Ländern wiederholt werden.
SRF News: Deutet diese Art von Angriffen auf den Kreml hin?
Thomas Rid: Es deutet sehr viel auf den Kreml und auf russische Akteure hin. Wichtig ist aber der historische Kontext: Schon seit 20 Jahren hackt Russland amerikanische Ziele. Und seit fast 90 Jahren macht Russland Desinformations-Kampagnen mit speziellen Abteilungen in den Nachrichtendiensten. Was wir hier sehen, ist die Kombination dieser beiden Fähigkeiten.
Laut US-Geheimdiensten war Wladmir Putin über diese Angriffe eingeweiht. War das tatsächlich Chefsache?
Seit rund zwei Jahren ist Russland an mehreren Fronten sehr aktiv im militärischen und diplomatischen Bereich, vor allem im Nachrichtendienst: Ukraine und Syrien sind nur die zwei sichtbarsten. Hier läuft ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel zwischen den Nachrichtendiensten innerhalb Russlands. Die Wahlbeeinflussung in den USA war aber anfangs nicht von Putin kontrolliert worden. Als es dann politisch immer brisanter wurde, würde ich es für sehr plausibel halten, dass Putin dann mal mitreden wollte.
Wollten die russischen Hacker und Wikileaks Donald Trump helfen?
Die russischen Akteure haben Server sowohl der demokratischen wie auch der republikanischen Partei gehackt. Sie haben aber nur die Daten der Demokraten veröffentlicht! Das bedeutet, dass es eine Bevorzugung von demokratischen Zielen gab.
Wikileaks hat die Dokumente veröffentlicht. Hat sich Julian Assanges Plattform damit vom Kreml instrumentalisieren lassen?
Es ist nicht das erste Mal. Es gibt vier Fälle, bei denen mit grosser Wahrscheinlichkeit Wikileaks von Nachrichtendiensten als Veröffentlichungsplattform genutzt wurde. Aus Sicht der Nachrichtendienste ist es noch wirkungsvoller, wenn Assange nicht glaubt, dass er ein verlängerter Arm eines Nachrichtendienstes ist, sondern wenn er glaubt, für einen guten Zweck zu arbeiten.
Es liegt doch in der Natur der Sache, dass eine Plattform, die freien Zugang zu Informationen fordert, solche Dokumente auch veröffentlicht.
Ja, aber man muss auch hinter die Kulissen schauen. Die beiden russischen Leak-Websites, die speziell für die US-Wahlen eingerichtet wurden – Guccifer 2.0 und DC Leaks – haben sich aktiv auf Journalisten des gesamten Medienspektrums in den USA hin bewegt und ihnen gezielt Daten von gehackten demokratischen Servern gegeben, die nicht veröffentlicht wurden.
Das ist hoch innovativ und das muss man respektieren. Daraus stellt sich aber die Frage, wie Medien mit gehacktem, geleaktem Material umgehen.
Der russische Nachrichtendienst hat sich also verhalten wie eine Public-Relations-Agentur und gezielt den Wettbewerb zwischen Journalisten ausgenutzt.
Wird diese Art der Einflussnahme in politischen Prozessen in Zukunft vermehrt vorkommen?
Es ist extrem schwierig zu sagen, wie erfolgreich diese Operation war und ob die Wahl von Donald Trump wirklich beeinflusst worden ist. Aber die Leute, die diese Operation durchgeführt haben, werden nun mit hoher Wahrscheinlichkeit ihren Chefs sagen:
Ich gehe absolut davon aus, dass solche Operationen in anderen Ländern wiederholt werden. Und ganz wichtig: Diese Operation und deren Effekt ist noch nicht abgeschlossen. Der Riss zwischen den US-Nachrichtendiensten und der kommenden Regierung Trump ist so tief und zerstörerisch wie noch nie in der Geschichte des US-Sicherheitsapparats. Das ist ein direkter und auch der wichtigste Erfolg diese Operation, eine inneramerikanische Spaltung in der Regierungsadministration hervorzurufen.
Wir haben Erfolg gehabt und das sehr kosteneffizient und mit geringem Risiko.
Sehen sie Anzeichen dafür, dass die USA oder andere westliche Staaten mit ähnlichen Hackerangriffen versuchen, im Ausland politische Prozesse zu beeinflussen?
Die Frage ist: Welche Art von nachrichtendienstlichen Operationen wollen wir als liberale Demokratien tolerieren und durchführen?
Aktive, verdeckte Einflussnahme auf Wahlen in anderen Demokratien ist nicht vertretbar.
Aber die Amerikaner scheinen darüber nachzudenken, möglicherweise Informationen über Wladimir Putins Finanzaffären öffentlich zu machen. Das würde dann aber nur das legitimieren, was Russland mit seinen Operationen getan hat. Die Debatte muss jetzt geführt werden, das ist ethisch richtig und strategisch klug.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.