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Orban möchte mehr Unternehmen in ungarische Hände bringen
Aus Echo der Zeit vom 30.03.2024. Bild: Keystone/Szilard Koszticsak
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Wirtschaftsstandort Ungarn Wie Ungarn ausländische Unternehmen vergrault

Viktor Orbán will die Wirtschaft «ungarisieren». Auch Schweizer Unternehmen sind davon betroffen.

Ungarn verdankt sein Wirtschaftswachstum in den letzten Jahrzehnten zu einem grossen Teil ausländischen Unternehmen: deutschen Autobauern, österreichischen Detailhändlern, Schweizer Zementfabriken. Doch inzwischen versucht die ungarische Regierung unter Viktor Orbán für sie profitable Wirtschaftszweige zu übernehmen – und vertreibt die ausländischen Unternehmen mit rabiaten Methoden. Das betrifft auch die Schweiz.

Sind ausländische Unternehmen präsent in Ungarn? Sehr. Der regierungskritische ungarische Ökonom Zoltan Pogatsa sagt sogar, die ungarische Wirtschaft sei eine Art «Hinterland» des Auslands, vor allem Deutschlands. Seit Ungarn nicht mehr kommunistisch ist, haben in erster Linie Grosse aus dem Ausland seine Wirtschaft wachsen lassen, zum Beispiel Audi, BMW, Mercedes, Tesco, Erste Bank und Holcim. Schon früher, sagt Ökonom Zoltan Pogastsa, hätten ungarische Regierungen versucht, einen grösseren Teil der Wirtschaft in ungarische Hände zu legen. Keine Regierung hat das aber so konsequent versucht wie die jetzige von Regierungschef Viktor Orbán.

Was will die ungarische Regierung genau? Sie will die Wirtschaft «ungarisieren», will, dass Teile der ungarischen Wirtschaft verstaatlicht oder von ungarischen Unternehmern übernommen werden. Dafür hat Ökonom Zoltan Pogatsa ein gewisses Verständnis. Die «Ungarisierung» betrifft nicht die ganze Wirtschaft, beispielsweise nicht die wichtige Autoindustrie. Aber sie betrifft etwa das britische Telekommunikations­unternehmen Vodafone, das teilweise verstaatlicht wurde. Und ganz besonders die Bauwirtschaft. Janos Lazar, Ungarns Minister für die Bauwirtschaft, sagte es an einer Pressekonferenz so: «Ausländische Unternehmen und ausländisches Baumaterial sind nicht willkommen. In Ungarn ist kein Platz für sie.» Ungarische Unternehmen sollten einen Vorteil haben bei staatlichen Bauvorhaben. Die Zeiten seien vorbei, in denen Ungarn sich wirtschaftlich besetzen lasse durch Franzosen, Deutsche, Österreicher.

Stärker ungarisch geprägte Wirtschaft – Wo ist das Problem?

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Das Problem sind die Methoden. Marc Pinter ist Schweizer mit ungarischen Wurzeln und lebt in Budapest. Als IT-Unternehmer und Mitglied im Swiss Business Club sieht er tief hinein in die Geschäfte ausländischer Firmen in Ungarn. Er erzählt, wie der ungarische Staat ausländische Unternehmen mobbt: «Ein Mittelsmann, z.B. ein Anwalt, kommt vorbei im Unternehmen und sagt, dass eine Investorengruppe Interesse daran hat. Wenn man dann sagt, man wolle nicht verkaufen, gibt es Steuerprüfungen und andere Schikanen.» Danach, wenn das Unternehmen mürbe sei, folge ein zweites, tieferes Übernahmeangebot. Marc Pinter sagt, er kenne Unternehmen, die schon solche Besuche hatten. Der Ökonom Zoltan Pogatsa findet, neben dem Mobbing sei auch noch etwas anderes fragwürdig. Nämlich, ob die ungarischen Oligarchen die übernommenen Unternehmen sinnvoll führten oder einfach zur eigenen Bereicherung melkten.

Was sagt die ungarische Regierung zu den Vorwürfen? Sie stand für die Fragen von SRF nicht zur Verfügung.

Inwiefern betrifft das «staatliche Mobbing» die Schweiz? Ein Beispiel dafür, wie die Schweiz betroffen ist, ist der weltumspannende Baustoffkonzern Holcim mit Sitz in der Schweiz. Holcim hat ein Zementwerk in Ungarn. Es gilt als innovativ. Aber jetzt macht die ungarische Regierung laut Holcim grossen Druck. Interviews gibt das Unternehmen nicht, aber Fetzen aus Gesprächen mit Leuten aus dem Holcim-Umfeld zeigen den Druck:  «Ungarn ist kein Rechtsstaat mehr, Regierungschef Viktor Orbán ruiniert die Industrie, um ein paar Oligarchen Geld zuzuschieben.»

Ungarns Regierung hat der Zementindustrie eine Sonder-Bergbaugebühr aufgebrummt, zusätzlich zur normalen Bergbauabgabe. Und eine CO₂-Sondersteuer. «Wir knabbern deshalb an der finanziellen Substanz, investieren nur noch, wo absolut nötig.», heisst es dazu aus dem Holcim-Umfeld. «Spätestens 2034 sind wir ruiniert.» Die Europäische Union sagt, mit den Sonderabgaben verstosse Ungarn gegen das Recht auf Eigentum, den freien Kapitalverkehr und die Niederlassungsfreiheit. Holcim-Vertraute erzählen auch von ständigen Steuerprüfungen, von Einschüchterungs-Besuchen des Geheimdiensts bei Mitarbeitenden. Holcim wehrt sich mit Klagen. Übernahmeangebote des ungarischen Staats lehnt der Konzern ab, sagt, man habe zu viel investiert, sei nach Jahren endlich profitabel.

Was macht die offizielle Schweiz?

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Sie ist empört. Auf Anfrage schreibt das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft: «In den letzten Jahren sind Verschlechterungen des Investitionsklimas in Ungarn festzustellen. Die ungarische Regierung hat zum Teil diskriminierende Massnahmen eingeführt.» Hinter den Kulissen klingt es noch drastischer bei der Bundesverwaltung: Ungarn verletzte internationale Standards und Abkommen, beantworte Briefe nicht, in denen die Schweiz dagegen protestiere. Kurz: Die Schweiz fühle sich für dumm verkauft.

 

Echo der Zeit, 30.03.2024, 18:30 Uhr

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