11. März 2011
Japan wird um 14:46 Ortszeit von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert. Die Seismologen registrieren eine Stärke von 9.0 auf der Richterskala – und damit das schwerste Beben, das die Inselnation je erlebt hat. Das Epizentrum liegt im Pazifik vor der Nordostküste, zu spüren sind die Erschütterungen aber auch in weit entfernt liegenden Landesteilen.
Das Beben löst in der Folge einen Tsunami aus, der innerhalb kürzester Zeit rund 260 Küstenorte dem Erdboden gleichmacht. Rasch wächst die Sorge um die Sicherheit der Atomkraftwerke in der Region. Doch die Behörden beschwichtigen. Regierungschef Naoto Kan ruft die Bevölkerung zur Besonnenheit auf. «Einige der Atomkraftwerke wurden nach dem Erdbeben automatisch heruntergefahren», sagt er. «Bis jetzt gibt es keine Anzeichen dafür, dass atomares Material ausgetreten ist.»
Auch im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi, rund 250 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegen, wurden die Reaktoren nach dem schweren Erdbeben automatisch heruntergefahren. Doch der Tsunami legt die Notstromaggregate lahm, die für die Kühlsysteme der beschädigten Reaktoren so dringend nötig sind. Nun wird mit Batterien weiter gekühlt.
Die Behörden rufen um 20:30 Uhr den atomaren Notstand aus. Anwohner in einem Radius von zunächst einem Kilometer müssen das Gebiet verlassen, wenig später wird die Zone auf drei Kilometer ausgeweitet. Rund 2000 Menschen müssen ihre Häuser verlassen.
12. März
In der Nacht auf den 12. März kommt es im Reaktor 1 zu einem abrupten Druckanstieg. Die Betreiber entlüften den Meiler. Dabei wird radioaktiver Dampf frei, die Strahlenbelastung in der Umgebung steigt. Ein Vertreter der Atomaufsicht schliesst nicht aus, dass eine Kernschmelze bereits eingetreten ist.
Um 15:36 Uhr kommt es im Reaktor 1 zu einer Wasserstoffexplosion. Teile des Gebäudes stürzen ein. Der Radius der Evakuierungszone wird auf 20 Kilometer ausgeweitet. Um 22:30 Uhr gibt Tepco, der Betreiber des AKW Fukushima, bekannt, den Reaktor 1 fluten zu wollen.
13. März
Auch im Reaktor 3 ist die Kühlung inzwischen total ausgefallen. Ab Mittag wird auch der Druckbehälter dieses Reaktors mit Meerwasser geflutet. Die Regierung schliesst nicht aus, dass im Reaktor 3 eine teilweise Kernschmelze begonnen hat. Sie schickt rund 100'000 Soldaten für Rettungsaktionen in die Regionen.
14. März
Ein schweres Nachbeben erschüttert am Morgen Tokio. Im zerstörten AKW Fukushima kommt es zu einer weiteren Explosion, dieses Mal im Reaktor 3. Die Kühlung im Reaktor 2 fällt aus. Ein Regierungssprecher räumt ein, dass in den Reaktoren 1, 2 und 3 eine gefürchtete Kernschmelze mittlerweile «höchst wahrscheinlich» sei.
15. März
Die Lage in Fukushima gerät ausser Kontrolle. Aus Block 4 wird ein Brand im Bereich des Abklingbeckens gemeldet, enorme Mengen radioaktiver Substanzen gelangen direkt in die Atmosphäre. Die Aussenwand ist beschädigt. Experten fürchten, dass es auch in Block 4 zu einer kleineren Wasserstoffexplosion im Reaktorgebäude gekommen sein könnte, bei der das Abklingbecken beschädigt wurde. Angeblich soll das Wasser im Becken kochen. Die letzte Temperaturmessung stammt vom 14. März 4 Uhr morgens, da wurden 84 Grad gemessen. Der Betreiber zieht aufgrund der hohen Strahlenbelastung 750 Mitarbeiter ab, nur 50 arbeiten weiter unter der erhöhten Belastung.
16. bis 20. März
Die erste Schadensbilanz ist erschreckend: Block 1 läuft mit Generatorstrom, die Meerwasser-Kühlung wird fortgesetzt, die Brennstäbe liegen trotzdem fast zur Hälfte frei. In Block 2 liegt ein Drittel der Brennstäbe frei, aufgrund erhöhter Strahlenwerte wird vermutet, dass der Sicherheitsbehälter beschädigt sein könnte. Die Meerwasser-Kühlung wird fortgesetzt. Aus Block 3 steigt weisser Rauch oder Dampf auf, der Kontrollraum des Reaktors musste einige Zeit wegen erhöhter Strahlenbelastung geräumt werden. In Block 4 wird ein weiteres Feuer entdeckt.
Mit Wasserwerfern, Löschfahrzeugen und Militärhelikoptern versuchen die Helfer in den nächsten Tagen die überhitzten Reaktoren zu kühlen. Die Betreiberfirma Tepco vermeldet erste Erfolge. In zwei Blöcken kann eine Notstromversorgung für die Kühlwasserpumpen aufgebaut werden. Die Regierung in Tokio gibt am 20. März bekannt, dass das zerstörte AKW Fukushima Daiichi nicht wieder ans Netz gehen wird. Das zur Kühlung eingesetzte Meerwasser habe die Technik irreparabel beschädigt.