Wer in Europa eine Reise unternimmt, nimmt häufig das Flugzeug – obwohl der Zug klimafreundlicher wäre. Doch auf vielen Strecken ist der Zug gegenüber dem Flugzeug nicht konkurrenzfähig.
Doch mit mehr Klimabewusstsein steigt die Nachfrage nach internationalen Zugstrecken. Das haben auch die Zugbetreiber bemerkt. Im internationalen Zugverkehr spüre man zurzeit eine Aufbruchsstimmung, sagt Thomas Sauter-Servaes, Experte für europäische Bahnsysteme. «Wir merken, dass mehr schon existierende Zugbetreiber Interesse haben, international zu fahren. Und auch neue Unternehmen können sich vorstellen, in diesen Markt einzudringen.»
Grosses Potenzial, grosse Herausforderungen
Entscheidend sei, dass man sich den Luftverkehr, wie er heute besteht, künftig nicht mehr werde leisten können. Das schaffe grosse Potenziale für die Bahn. Die Herausforderungen seien aber gross. Denn der europäische Schienenverkehr gleicht einem Flickenteppich.
«Wir haben weiterhin unterschiedliche Stromsysteme. Das macht es sehr teuer, von A nach B zu fahren. Auf der anderen Seite haben wir nationale Eisenbahnunternehmen, die bisher als Monopolisten tätig sind und die natürlich ihr Revier verteidigen werden», sagt Sauter-Servaes.
Ein Beispiel für so ein Monopol ist die Strecke von Paris nach London, die seit 30 Jahren nur von der Eurostar Group befahren wird. Eine sehr lukrative Strecke, denn ein Schnellzug braucht weniger als zweieinhalb Stunden. Damit ist der Zug hier eine echte Konkurrenz zum Flugzeug. Die Tickets aber sind teuer und das lockt wiederum andere Zugunternehmen an.
«Aus meiner Sicht ist Paris-London eine der attraktivsten Strecken in Europa überhaupt. Ich verstehe sehr gut, dass viele bestehende Anbieter als auch neue Unternehmen in Richtung London fahren wollen. Gerade vor dem Hintergrund, dass mehr Leute vom Flieger auf den Zug umsteigen.»
Mit dem Zug nach London? Es ist kompliziert
Konkurrenz auf dieser Strecke könnte die Preise merklich drücken. Auch von Schweizer Flughäfen aus ist London die meist angeflogene Destination. Wer lieber mit dem Zug nach London reisen wolle, müsse hingegen einige Hürden nehmen, sagt Bastian Bommer von Pro Bahn Schweiz, der Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs.
«Es muss mehrmals umgestiegen werden, in Paris muss sogar per U-Bahn der Bahnhof gewechselt werden. Und auch das Ticketing ist sehr kompliziert.»
Auch die SBB erwägt Direktzug nach London
Diese Probleme, aber auch das Potenzial einer Direktverbindung nach London, sieht man auch bei der SBB. Im Moment laufe eine Studie dazu, heisst es hier. Grundsätzlich sei es möglich, die Strecke Basel–London in rund fünf Stunden zu fahren.
Pro Bahn begrüsst die Pläne der SBB, künftig diese und weitere internationale Verbindungen anzubieten, sähe aber noch mehr Potenzial, gerade auch bei Verbindungen nach Italien und Frankreich. Ideen sind also da. Bis der Zug in Europa aber flächendeckend zur Konkurrenz für das Flugzeug wird, ist es noch ein weiter Weg.