- Über das Zugunglück in Griechenland kommen immer mehr Details ans Licht.
- So hätte der Bahnhofvorsteher, dem der entscheidende Fehler unterlaufen ist, seine Tätigkeit eigentlich gar nicht ausüben dürfen.
- Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis betont aber: «Wir können, wollen und dürfen uns nicht hinter menschlichem Versagen verstecken.»
Es wird immer deutlicher: Die Ursachen, die zu dem Frontalzusammenstoss eines Personen- mit einem Güterzug und zu mindestens 57 Todesopfern geführt haben, offenbaren Versagen auf ganzer Strecke. Allein der Werdegang des Bahnhofsvorstehers, der den entscheidenden Fehler machte und den Personenzug auf die falschen Gleise schickte, wirft unzählige Fragen auf.
Der Mann ist 59 Jahre alt und hatte erst im vergangenen Jahr seine Ausbildung als Bahnhofsvorsteher begonnen, obwohl die Altersgrenze für die Ausbildung bei 42 Jahren liegt, wie griechische Medien berichten. Zuvor arbeitete er als Gepäckträger sowie als Bote im Kulturministerium. Der Mann hätte also gar nicht erst ausgebildet werden dürfen und war Berichten zufolge völlig überfordert. Auch sass er tagelang ohne einen erfahreneren Mitarbeitenden auf dem wichtigen Posten am Bahnhof der Stadt Larisa.
Nachdem er den Zug auf die falschen Gleise geschickt hatte, soll er elektronische Hinweise und auch Nachfragen sowohl von einem der betroffenen Lokführer als auch einem Bahnhofsvorsteher an einem der nächsten Bahnhöfe ignoriert haben, berichtet die Zeitung «Kathimerini». Minutenlang seien die Züge deshalb ungehindert aufeinander zugerast. Der 59-Jährige sitzt in Untersuchungshaft, er ist unter anderem wegen fahrlässigen Totschlags und fahrlässiger Körperverletzung angeklagt.
Unfall bei funktionierender Elektronik praktisch unmöglich
Doch so schwer die mutmasslichen Fehler des Mannes wiegen, allein «menschliches Versagen» als Grund für die Tragödie anzugeben, greift zu kurz, finden die Menschen in Griechenland. Unbestritten ist, dass sämtliche Regierungen der vergangenen 20 Jahre die griechische Bahn sträflich vernachlässigten.
So funktionierten etwa das elektronische Leitsystem und andere Sicherheitsvorkehrungen nicht oder nur zum Teil. Auch die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen hatten sich wiederholt darüber beklagt und Änderungen gefordert – nicht nur beim staatlichen Bahnunternehmen OSE, sondern auch beim Verkehrsministerium.
Als Ministerpräsident schulde ich allen, vor allem aber den Angehörigen der Opfer, eine grosse Entschuldigung.
Am Sonntag entschuldigte sich Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis dafür in den sozialen Medien: «Als Ministerpräsident schulde ich allen, vor allem aber den Angehörigen der Opfer, eine grosse Entschuldigung – sowohl persönlich als auch im Namen all derer, die das Land jahrelang regiert haben», schrieb Mitsotakis und gestand ein: «Wir können, wollen und dürfen uns nicht hinter menschlichem Versagen verstecken.» Der Unfall wäre praktisch unmöglich gewesen, hätte die Elektronik funktioniert.
Tausende demonstrieren
In seinem Post gelobte Mitsotakis Besserung und versprach die Reparatur des elektronischen Leitsystems, einen Sonderausschuss zu den Versäumnissen der letzten 20 Jahre sowie neue Züge.
Die Bürgerinnen und Bürger beruhigt das vorerst nicht: Am Sonntagvormittag versammelten sich laut Polizeiangaben erneut rund 10'000 Menschen am zentralen Athener Syntagmaplatz vor dem Parlament, um gegen die Zustände zu protestieren. Im Anschluss an den friedlichen Aufmarsch nutzten rund 100 Autonome den Anlass zur Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften.