Worum geht es? Letzten Sonntag hat die Republik Zypern einen neuen Präsidenten gewählt. Neu führt der Konservative Nikos Christodoulidis die Regierung des griechischen Teils auf der geteilten Insel. Sein Gegner bei der Wahl hatte ausdrücklich eine Wiedervereinigung mit dem türkischen Nordteil der Insel gefordert. Christodoulidis dagegen ist nicht bereit, den Türken entgegenzukommen. Damit ist unklar, wie es weitergeht: Möglicherweise könnte der neue Präsident den Weg hin zu einer Wiedervereinigung verlassen und auf eine auch von Ankara geforderte Zwei-Staaten-Lösung einschwenken.
Wie ist die aktuelle Lage? Die Türkei hat in den letzten Jahren und Monaten ihre Präsenz im östlichen Mittelmeer verstärkt und untermauert ihre Ansprüche, was Inseln im griechisch/türkischen Grenzgebiet oder Gasfelder angeht, zunehmend aggressiver. Dabei habe Ankara auch die militärische Präsenz in Nordzypern ausgebaut und beharre auf der Zwei-Staaten-Lösung, sagt der Türkei-Spezialist Günter Seufert von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik. Zugleich habe die südliche Republik Zypern nur schwach auf diese Entwicklung reagiert.
Warum ist eine Lösung so schwierig? Die Griechisch-Zyprioten hätten in den vergangenen Jahrzehnten alles getan, um die Türkisch-Zyprioten wirtschaftlich und politisch zu schwächen, sagt Seufert. Damit hätten sie die Nordzyprer geradezu in die Arme Ankaras getrieben, das in Zypern vor allem eine Art unsinkbaren Flugzeugträger sieht, der für die Verteidigung der Türkei unverzichtbar sei. «Und so wurde 2020 im Nordteil Zyperns ein Präsident gewählt, der voll auf der türkischen Linie politisiert – und eine endgültige Spaltung der Insel anstrebt», sagt Seufert.
Es gibt bei der politischen Klasse kein Interesse, die Macht und den Staat mit den Türkisch-Zyprioten zu teilen.
Was heisst das für die Zukunft Zyperns? «Es kann sein, dass der neue Präsident Christodoulidis jetzt ebenfalls auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeitet – möglicherweise, ohne dies zu sagen», vermutet der Türkei-Experte. Schliesslich seien in der Vergangenheit auch auf griechisch-zyprischer Seite kaum ernsthafte Bemühungen für eine Wiedervereinigung der Insel unternommen worden. «Es gab bei der politischen Klasse kein Interesse, die Macht und den Staat mit den Türkisch-Zyprioten zu teilen.» Eine endgültige Teilung der Insel hält Seufert deshalb für «sehr wahrscheinlich».
Was geht das Ganze die EU an? 2004 wurde die ganze Insel Zypern in die EU aufgenommen. «Damit hat sich die EU in dem Streit zur Partei gemacht», sagt Seufert. Trotzdem sei Brüssel aber nicht an den Verhandlungen über eine Wiedervereinigung beteiligt. Die EU habe seit 2004 vor allem versucht, die Türkisch-Zyprioten etwas zu stärken und kommunale Projekte zwischen Nord- und Südzypern zu unterstützen. Auch in Sachen Menschenrechte oder Infrastruktur-Projekten war die EU aktiv.