Am Freitag reist Papst Franziskus nach Kairo. Innerhalb eines halben Jahres kamen in Ägypten bei IS-Anschlägen auf christliche Gotteshäuser mehrere Dutzend Menschen ums Leben. Der katholische Papst wird sich nun an einer internationalen Friedenskonferenz mit dem koptischen Papst Tawadros II., dem orthodoxen Patriarchen Bartholomäus und dem Grossimam al-Tayyeb treffen. Was bringt der Papstbesuch aber überhaupt?
SRF News: Barbara Hallensleben, welche Bedeutung hat die Konferenz?
Barbara Hallensleben: In Ägypten ist das friedliche Zusammenleben zwischen der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung und der koptisch-orthodoxen Kirche äusserst wichtig für den inneren Frieden. Die jüngsten IS-Attentate auf die koptischen Kirchen in Ägypten erschüttern nicht nur die interreligiöse Verständigung. Sondern auch die öffentliche Sicherheit. Ein besonders mutiges Zeichen der Versöhnung ist, dass das Oberhaupt der Koptischen Kirche, Papst Tawadros II., und der Grossimam des Landes zu einem Gipfeltreffen zusammenkommen.
Und welche Rolle spielt Papst Franziskus? Können er und der orthodoxe Patriarch Bartholomäus den Versöhnungsprozess fördern?
Die Anwesenheit von Papst Franziskus und Patriarch Bartholomäus bekundet die Solidarität der gesamten Christenheit. Damit wird vor aller Welt bestätigt: Christen und Muslime sind nicht Feinde. Die Attentäter können sich nicht auf den Islam, ja überhaupt nicht auf «Religion» berufen. Es gilt die Aussage der Bosporus-Erklärung von 1994: «Ein Verbrechen im Namen der Religion ist ein Verbrechen gegen die Religion.»
Was bringt der Papstbesuch konkret?
Die Angst wächst, wenn man sich allein fühlt. Die Konferenz bekundet eine weltweite Solidarität, die den Menschen vor Ort zeigt: Ihr seid nicht allein. Euer Schicksal liegt uns am Herzen. Die Kräfte des Friedens sind stärker als die Kräfte der Zerstörung. Die Religionsfreiheit wird mit Recht die Mutter aller Menschenrechte genannt. Wenn die Freiheit des religiösen Bekenntnisses in Ägypten gestärkt wird, dann ist der gesamte Demokratisierungsprozess gestärkt.
Zum Engagement von Papst Franziskus für die christlichen Minderheiten: Sticht er im Vergleich zu seinen Vorgängern heraus?
Es geht dem Papst nicht nur um christliche Minderheiten, sondern generell um Menschen in Not und Bedrängnis. Als er zusammen mit Patriarch Bartholomäus die Flüchtlinge auf der Insel Lesbos besuchte, hat er die Menschen nicht nach ihrer Religion gefragt. Gott ist Mensch geworden, nicht Christ! Die Päpste, die sich zu dem menschenfreundlichen Gott bekennen, der alle Menschen, ja seine ganze Schöpfung retten will, haben sich immer zumindest indirekt auch für die Opfer der Geschichte eingesetzt. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist allen Christen die «vorrangige Option für die Armen» aufgetragen. Papst Franziskus unterstreicht diesen Auftrag durch besonders mutige öffentliche Zeichen.
Stärkt das gemeinsame Auftreten der christlichen Oberhäupter gleichzeitig die Christen untereinander?
Patriarch Bartholomäus lebt in Istanbul und kennt aus eigener Erfahrung die Situation der christlichen Minderheit. Das christliche Zeugnis beruht heute nicht auf Macht und Einfluss, sondern auf dem glaubwürdigen Leben. Deshalb teilt er so engagiert die Überzeugung von Papst Franziskus: Unsere Welt braucht «Brückenbauer des Friedens, des Dialogs, der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und Menschlichkeit».
Die Fragen wurden schriftlich gestellt. Betreut von Deborah Onnis.