Die einen hielten Henry A. Kissinger für einen genialen Politstrategen, der im Kalten Krieg die Welt im Gleichgewicht hielt. Die anderen für einen Kriegsverbrecher, dessen Machenschaften in Asien und Südamerika unzählige Menschen das Leben kostete. Die Figur des ehemaligen US-Aussenministers, der die Weltpolitik der 70er-Jahre prägte, polarisiert bis heute. Nun ist Henry Kissinger im Alter von 100 Jahren in seinem Zuhause im US-Bundesstaat Connecticut gestorben.
Kissingers Einfluss aufs Weltgeschehen war bedeutend. Er führte mitten im Kalten Krieg mit Moskau erste Abrüstungsgespräche. Früh erkannte er die weltpolitische Bedeutung von China; im Nahen Osten begann er die US-Pendeldiplomatie. Doch seine Realpolitik zog auch eine Blutspur: durch Vietnam, Kambodscha, durch Chile und Argentinien während der orchestrierten Putschs, bis nach Osttimor, wo die USA die Invasion durchwinkten.
«Wahrscheinlich einer der besten Wissenschaftler der Welt»
Der neu gewählte Richard Nixon hatte den Harvard-Politologen 1968 als Sicherheitsberater ins Weisse Haus geholt. Er sei wahrscheinlich einer der besten Wissenschaftler der Welt, lobte ihn Nixon bei dessen Ernennung.
Das müssen wir tun, Herr Präsident.
Es herrschte Krieg in Vietnam. Kissinger und Nixon wollten Hanoi mit Bomben den Frieden diktieren. Wie gross der Appetit auf Verheerung war, hört man auf den sogenannten Nixon-Tapes, den geheimen Aufnahmen, die Nixon von allen Gesprächen im Weissen Haus machte. «Das müssen wir tun, Herr Präsident», sagt Kissinger seinem Chef. Er meint die flächendeckende Bombardierung von Nordvietnam im Dezember 1971.
Henry Kissinger
Die Alphatiere im Weissen Haus befahlen illegale Operationen. In zunächst geheimen Angriffen auf die nordvietnamesischen Rückzugsgebiete in Kambodscha starben rund 200'000 Menschen. Kritiker machen Kissinger persönlich verantwortlich für die mörderische und schliesslich sinnlose Eskalation. Im berühmten Interview mit dem britischen Journalisten David Frost nennt Kissinger diese Vorwürfe «völlig inkorrekt». Er rückte nie vom Kurs ab.
Kissinger war ein Überzeugungstäter, der früh erlebte, was es hiess, zum Opfer zu werden. 1923 wurde Heinz Alfred Kissinger im bayrischen Städtchen Fürth geboren, seine jüdische Familie emigrierte 1938 nach New York und entkam dem Holocaust. Seine dörfliche Jugend und seine Diskriminierung standen in krassem Kontrast zum späteren Ruhm.
Auch Jimmy Carter hörte auf Kissinger
1979 marschierte die sowjetische Armee in Afghanistan ein. Damals hatte Kissinger bereits sein Amt als Aussenminister abgegeben. Doch auch der neue Präsident Jimmy Carter hörte auf ihn, als er den Nahen Osten zur Sicherheitszone der USA erklärte. Nach 9/11 beriefen sich die Falken um George Bush auf den Grossmeister des US-Imperialismus. Bis heute bleibt Kissingers Einfluss intakt. Im Dezember 2016 besuchte er den frisch gewählten Präsidenten Donald Trump. Kissinger, 93 Jahre alt, weihte den Novizen in die Tiefen der US-Aussenpolitik ein.
Henry Kissinger traf viele Staatsoberhäupter
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Bild 1 von 12. Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und Henry Kissinger bei den Academy Awards 2020 in Berlin. Bildquelle: REUTERSAnnegret Hilse.
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Bild 2 von 12. 2013 gratulierte Merkel Kissinger an einem Empfang zu dessen 90. Geburtstag. Bildquelle: REUTERS/Gero Breloer.
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Bild 3 von 12. Kissinger wuchs im deutschen Fürth auf. Wie eng er noch immer mit seinem Heimatland verbunden war, zeigte sich unter anderem auch 2015. Gemeinsam mit der damaligen Kanzlerin Merkel und Olaf Scholz, der zu dieser Zeit noch Bürgermeister von Hamburg war, nahm er an der Gedenkfeier des verstorbenen ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt teil. Bildquelle: Reuters/Fabian Bimmer.
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Bild 4 von 12. Auch nach seiner Zeit als US-Aussenminister war Kissinger ein gern gesehener Gast. 2017 etwa trifft er den damaligen US-Präsidenten Donald Trump im Oval Office des Weissen Hauses. Bildquelle: REUTERS/Kevin Lamarque.
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Bild 5 von 12. Auch Trumps Vorgänger kannte Kissinger gut. Hier ist er an einem Treffen vom damaligen US-Präsident Barack Obama über einen Vertrag zur Reduzierung strategischer Waffen (START) im Roosevelt-Zimmer des Weissen Hauses in Washington. Bildquelle: REUTERS/Larry Downing.
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Bild 6 von 12. 2016 trifft Kissinger Chinas Präsident Xi Jinping in der Grossen Halle des Volkes in Peking. Bildquelle: REUTERS/Nicolas Asouri/Pool.
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Bild 7 von 12. Beim jährlichen Global Citizen Awards Dinner in New York im Jahr 2012 trifft Kissinger auf Aung San Suu Kyi, die später Regierungschefin von Myanmar wird. Bildquelle: REUTERS/Keith Bedford.
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Bild 8 von 12. Sie sehen aus wie alte Freunde: Russlands Präsident Putin hat Kissinger während seiner Zeit als Aussenminister wie auch danach mehrmals gesehen. Hier begrüsst Putin Kissinger während des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg am 21. Juni 2012. Bildquelle: REUTERS/Alexei Nikolsky/RIA Novosti/Kremlin.
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Bild 9 von 12. Der ehemalige Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, und der ehemalige US-Aussenminister Henry Kissinger besuchen 2012 eine Vorführung von einem Dokumentarfilm über die Ereignisse, die den Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion auslösten. Bildquelle: REUTERS/Allison Joyce.
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Bild 10 von 12. Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl wird von Kissinger beglückwünscht, nachdem ihm 2011 der «Henry A. Kissinger Preis» der American Academy in Berlin verliehen wurde. Bildquelle: REUTERS/Clemens Bilan.
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Bild 11 von 12. Der ehemalige Vorsitzende der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, Jassir Arafat, umarmt Henry Kissinger nach der Verleihung des Félix-Houphouët-Boigny-Friedenspreises 1993. In der Mitte steht der damalige israelische Premierminister Yitzhak Rabin. Bildquelle: Reuters.
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Bild 12 von 12. Doch Kissinger konnte nicht nur mit Politikerinnen und Politikern, sondern auch mit royalen Persönlichkeiten. Am Dinner der United Cerebral Palsey von 1995 lächelt die Prinzessin von Wales den ehemaligen US-Aussenminister Henry Kissinger an. Bildquelle: Reuters.
Trump könnte als ein sehr bemerkenswerter Präsident in die Geschichte eingehen, sagte er nach der Unterredung auf CBS. Dem Prinzip der Politik als Kunst des Möglichen blieb dieser kriegerische Intellektuelle bis zuletzt treu.