Henry Kissinger ist vielleicht der berühmteste Diplomat in der Geschichte der USA. Lange, nachdem er sich aus der Politik zurückgezogen hatte, suchten Spitzenpolitiker noch seinen Rat. Und noch immer teilt Kissinger, der am 27. Mai 100 Jahre alt wird, gerne seine Meinung zu internationalen Themen mit der Welt.
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Bild 1 von 7. Henry Kissinger wurde am 27. Mai 1923 als Heinz Alfred Kissinger im deutschen Fürth in eine jüdische Familie geboren. Bildquelle: AP Photo/Archiv/Charles Rex Arbogast.
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Bild 2 von 7. 1938 floh die Familie vor den Nazis in die USA. Kissinger wuchs in New York auf und wurde eingebürgert. Während des Zweiten Weltkriegs wurde er zum Militärdienst eingezogen. Bildquelle: AP Photo/Archiv/Harvey Georges.
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Bild 3 von 7. Kissinger kämpfte in den Ardennen und arbeitete später in Deutschland für die US-Spionageabwehr. Nach der Rückkehr in die USA begann er, an der Universität Harvard Politikwissenschaften zu studieren und promovierte 1954. Bildquelle: AP Photo/Archiv.
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Bild 4 von 7. Kissinger war weiter an der Uni tätig, ehe ihn der republikanische US-Präsident Richard Nixon (links) ins Weisse Haus holte. Kissinger nahm erst die Rolle des nationalen Sicherheitsberaters ein. Bildquelle: AP Photo/Archiv/Ron Frehm.
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Bild 5 von 7. Später wurde er zusätzlich Aussenminister. In dieser Rolle blieb er auch unter Nixons Nachfolger Gerald Ford (rechts). Kissinger traf Staatschefs aus der ganzen Welt. Bildquelle: EPA/Archiv/Gerald R. Ford Library.
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Bild 6 von 7. So traf er etwa 1973 Mao Zedong (rechts), den Parteiführer der Kommunistischen Partei Chinas. Kissinger war bis 1977 Aussenminister. Bildquelle: Keystone/Archiv.
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Bild 7 von 7. Doch er blieb eine gefragte Person in der Öffentlichkeit. 2017 traf er den damaligen US-Präsidenten Donald Trump im Weissen Haus. Bildquelle: AP Photo/Archiv/Evan Vucci.
Doch der ehemalige US-Aussenminister ist eine kontroverse Figur. Während ihn die einen als brillanten Realpolitiker loben, sehen ihn andere als skrupellosen Machtmenschen. Nachdem er sich in den 1950er- und 1960er-Jahren an der Universität Harvard als Spezialist für internationale Politik einen Namen gemacht hatte, holte ihn der republikanische Präsident Richard Nixon 1969 ins Weisse Haus. Kissinger wurde nationaler Sicherheitsberater und später Aussenminister.
Friedensnobelpreis trotz zweifelhafter Rolle
Kissinger hat viele Erfolge vorzuweisen. Er suchte Entspannung mit China und der Sowjetunion, stiftete Frieden in Nahost, bemühte sich um Abrüstung. So fädelte er das erste Abkommen zur strategischen Rüstungsbegrenzung (SALT I) ein. Ausserdem handelte er 1973/74 das Ende des Jom-Kippur-Krieges aus.
Für viele gilt Kissinger bis heute als aussenpolitisches Genie. Das ist die eine Seite der Geschichte. Kritiker sehen in ihm allerdings einen Machtpolitiker ohne Moral, der auch Diktaturen unterstützte – solange es seinen Interessen nützte.
Neben den aussenpolitischen Erfolgen gibt es eine ganze Liste an Kriegen und Krisen, in denen Kissinger eine mindestens zweifelhafte Rolle spielte. Da ist zum einen der Vietnamkrieg: Kissinger soll 1968 einen nahen Friedensschluss verhindert haben, um Nixon zum Wahlsieg zu verhelfen.
1973 mündeten seine jahrelangen Geheimverhandlungen mit dem nordvietnamesischen Unterhändler Le Duc Tho schliesslich in einen Friedensvertrag. Beiden wurde der Friedensnobelpreis zugesprochen, obwohl der Krieg noch bis 1975 weiterging. Kissinger nahm den Preis an, Le Duc Tho nicht.
Vorwürfe lassen ihn kalt
Umstritten ist auch, welche Rolle Kissinger bei der geheimen Bombardierung Kambodschas während des Vietnamkriegs spielte. Zusammen mit dem US-Geheimdienst CIA war Kissinger 1973 ausserdem in den Putsch von General Augusto Pinochet gegen Chiles Präsidenten Salvador Allende verstrickt.
Kissinger erhielt Vorladungen von Gerichten in verschiedenen Ländern, erschien aber nie. Von den Vorwürfen gegen ihn will er bis heute nichts wissen. Nach Nixons Rücktritt blieb Kissinger unter Gerald Ford Aussenminister. Die politische Bühne verliess er nach dem Amtsantritt des demokratischen Präsidenten Jimmy Carter 1977.
Doch der Rückzug aus der aktiven Politik bedeutete für Kissinger nicht, sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Kissinger ist mittlerweile schwerhörig und auf einem Auge blind. Er formuliert seine Gedanken manchmal langsam und schwer verständlich.
An Selbstbewusstsein mangelt es ihm jedoch nicht. Auf die Frage, ob Chinas Präsident Xi Jinping den Hörer abheben würde, sollte Kissinger anrufen, antwortete er: «Die Chancen stehen gut, dass er meinen Anruf annimmt.» Das gelte auch für Kremlchef Wladimir Putin.