Nach der überraschenden Auflösung der Nationalversammlung suchen die Parteien in Frankreich im Eiltempo nach Bündnissen für die Parlamentswahlen am 30. Juni und 7. Juli. Dabei rief der Chef der konservativen Partei Les Républicains zu einer Allianz mit dem rechtsnationalen Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen auf.
Ein Bruch der Brandmauer gegen rechts?
Eine solche Allianz sei notwendig, weil die Républicains alleine zu schwach seien, um sich gegen das Präsidentenlager und das Linksbündnis zu behaupten, so Ciotti. Allerdings wäre ein Bündnis der Partei der bürgerlichen Rechten mit den Rechtsnationalen um Marine Le Pen ein Bruch der jahrzehntelang aufrechterhaltenen Brandmauer gegen die extreme Rechte.
Wie viele Parteikollegen Ciottis hinter seiner Forderung stehen, ist unklar. Parteigrössen forderten allerdings bereits kurz nach seinem Fernsehauftritt am Dienstag den Rücktritt des Parteichefs. Immerhin berufen sich Les Républicains auf politische Persönlichkeiten wie Charles de Gaulle oder Jacques Chirac.
Ciotti steht in der Partei weit rechts
Dass Ciotti eine Zusammenarbeit mit dem RN fordert, überrascht nicht wirklich. Denn er steht weit rechts aussen in seiner konservativen Partei. «Doch Ciotti hat die Stimmung in seiner Partei offensichtlich falsch eingeschätzt», sagt SRF-Korrespondent Daniel Voll in Paris.
Das zeige die Revolte, die bei den Républicains ausgebrochen ist. Tatsächlich schlossen fast alle Mitglieder der Fraktion einen gemeinsamen Wahlkampf mit dem RN kategorisch aus. Und das, obwohl sich die beiden Parteien inhaltlich in vielen Punkten ähneln: Sowohl für das RN als auch für die Républicains ist Staatspräsident Macron ein rotes Tuch. Und bei Themen wie Migration und Sicherheit vertreten sie sehr ähnliche Positionen. «Der entscheidende Unterschied liegt im Selbstverständnis der beiden Parteien», sagt Voll.
Traditionelle konservative Werte
Die Républicains sehen sich als konservative Partei, als traditionelle Vertreter der republikanischen Werte Frankreichs – und das weit rechts stehende RN liegt nicht innerhalb dieses traditionellen Rahmens. Nun berät der Parteivorstand über eine Ablösung von Chef Ciotti.
Extreme Rechte in komfortabler Position
Und so wird es bis zur ersten Wahlrunde am 30. Juni wahrscheinlich nicht zu einer breiten rechten Allianz kommen. Sowieso sei das RN nicht darauf angewiesen, weil es mit dem zu erwartenden Stimmenanteil vielerorts auch ohne Partner in den zweiten Wahlgang vom 7. Juli kommen werde, so der Korrespondent.
Für Macrons Bündnis wiederum werde es darum gehen, in der ersten Wahlrunde mehr Stimmen zu erzielen als das Linksbündnis – und dann im zweiten Wahlgang auf die Unterstützung der Linken gegen die rechtsextremen Kandidaten zu hoffen.