Die Situation auf dem Tempelberg in Jerusalem ist höchst angespannt. Seit die israelische Polizei die muslimische Al-Aksa-Moschee gewaltsam geräumt hat, kommt es zu Protesten und Raketenabschüssen auf Israel aus dem Gazastreifen – was wiederum von der Luftwaffe mit Bombardierungen beantwortet wird.
In Nahost werde eine weitere Eskalation befürchtet, sagt die in Tel Aviv lebende Journalistin Gisela Dachs.
SRF News: Bei den Unruhen auf dem Tempelberg hat die israelische Polizei 350 Palästinenser festgenommen. Wie aussergewöhnlich ist das?
Gisela Dachs: Es gab schon öfter ähnliche Situationen, doch sie sind grundsätzlich immer sehr brenzlig. So kam es in der Folge vor zwei Jahren zu einer längeren militärischen Konfrontation zwischen der israelischen Armee und der Hamas im Gazastreifen. Bereits hat sich die Hamas auch diesmal eingemischt und mehrere Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert.
Israel sagt, Palästinenser hätten sich in der Al-Aksa-Moschee verschanzt, die Palästinenser werfen der Polizei vor, unverhältnismässige Gewalt angewandt zu haben. Wie sehen Sie das?
Laut Polizei stellen in der Moschee verschanzte palästinensische Extremisten eine Gefahr für jüdische Gläubige dar, die ebenfalls auf den Tempelberg gehen.
Man kann sich schon fragen, ob ein so rigoroses Eingreifen nötig war.
Und da kann man sich schon fragen, ob ein solch rigoroses Eingreifen nötig war, ohne dass die beiden Gruppen überhaupt in Kontakt gekommen waren.
Welche Rolle spielt die extrem rechte Regierung Israels bei den Zusammenstössen?
Interessant ist, dass der nun doch im Amt belassene Verteidigungsminister Joav Gallant zu den besonneneren Stimmen innerhalb der Regierung gehört, während mit dem Polizeiminister Ben Gvir ein Extremist am Ruder ist. Sicher ist: Viele Israelis misstrauen der Regierung und betrachten sie sehr skeptisch.
Internationale Stimmen mahnen zur Mässigung und verurteilen die Gewalt auf dem Tempelberg. Wie beurteilen Sie diese Äusserungen?
Die Sorge ist tatsächlich gross, dass wegen der Zusammenstösse in der Al-Aksa-Moschee in der ganzen muslimischen Welt Unruhen ausbrechen könnten.
Die Sorge ist gross, dass jetzt in der ganzen muslimischen Welt Unruhen ausbrechen könnten.
In den sozialen Medien wurden fast in Echtzeit zahlreiche Videos der israelischen Polizeiaktion in der Al-Aksa-Moschee gepostet. Das könnte sehr viele Leute dazu antreiben, darauf in irgendeiner Weise zu reagieren.
Seit zwei Wochen ist Ramadan, das jüdische Pessachfest steht bevor – wie geht es am Tempelberg jetzt weiter?
Es stellt sich die Frage, wer ein Interesse an einer Eskalation der Lage hätte. Die Hamas ist sicher nicht an einer grösseren Konfrontation mit der israelischen Armee im Gazastreifen interessiert, sehr wohl aber an Unruhen in Jerusalem und im Westjordanland.
Die Hamas ist sehr wohl an Unruhen in Jerusalem und im Westjordanland interessiert.
Sie könnte so die Legitimität der Palästinenserbehörde weiter unterminieren, indem sie die Massen auf die Strasse bringt. Die Unruhen rund um die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg – mitten im Ramadan, an Pessach und Ostern – haben da wohl durchaus die Symbolkraft, um die Dinge zur Eskalation zu bringen.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.