Auf die Ankündigung, verlesen von UNO-Chefsprecher Stéphane Dujarric, hat man lange gewartet: «Der Generalsekretär steht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung.» Das Zögern des Portugiesen hatte einen Grund: Donald Trump.
Der abtretende US-Präsident erklärte mehrmals, die Vereinten Nationen besässen enormes Potenzial, schöpften es aber nicht aus. In Tat und Wahrheit wehrte sich Trump während seiner ganzen Amtszeit gegen weltumspannende Ansätze zur Lösung der grossen Probleme: Die USA unter Trump kehrten dem UNO-Klimaabkommen den Rücken, dem UNO-Menschenrechtsrat, dem Palästinenserhilfswerk UNRWA, der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Sie sabotieren die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Sie kürzten ihre Beiträge. Und sie traten aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus.
Trump mit Samthandschuhen angefasst
Es half nichts, dass Generalsekretär Antonio Guterres unablässig versuchte, Trump ins Boot zu holen, auch mit – wohl unvermeidlichen – Schmeicheleien: «Herr Präsident, vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre Unterstützung.»
Er tat es ebenfalls, indem er auf scharfe Kritik an Entscheidungen aus dem Weissen Haus verzichtete. So fand Guterres etwa bloss milde Worte zu Trumps Mauerbau an der Südgrenze. Kaum ein UNO-Generalsekretär legt sich jeweils mit den fünf UNO-Vetomächten an. Zu gross ist deren Einfluss.
Und noch jeder an der Spitze der Vereinten Nationen musste erkennen, dass ohne die USA – die Gründer der Weltorganisationen – fast nichts geht. Auch, weil sie allein fast ein Viertel des UNO-Haushalts bestreiten. Das bedeutet: Steht die US-Führung nicht mehr hinter den Zielen der UNO oder hintertreibt sie diese gar wie Trump, wird es äussert schwierig für den Generalsekretär.
Während Amtszeit kaum etwas erreicht
UNO-Experte Professor Francesco Mancini von der Nationalen Universität Singapur bezeichnet die USA in den letzten vier Jahren gar als «Feind der UNO». Und Richard Gowan, Direktor bei der International Crisis Group sieht Guterres als «enorm qualifizierten, aber unglücklichen Generalsekretär».
Wir müssen nun gemeinsam handeln, um die freiheitlich demokratische Weltordnung zu verteidigen.
Unglücklich, weil fast seine ganze erste Amtszeit mit jener Trumps zusammenfiel. Hätte Guterres in Washington einen multilateraler orientierten US-Präsidenten als Partner gehabt, hätte er weitaus mehr erreichen können. Guterres' Frustration war daher mit Händen zu greifen.
Ebenso jetzt die Erleichterung, dass nun Joe Biden antritt. Diesem ist bewusst, dass der weltweite Einfluss seines Landes während Jahrzehnten darin gründete, dass die USA nicht isoliert handelten, sondern über Allianzen und über ihr Engagement innerhalb der UNO ihr Gewicht massiv erhöhten.
Hoffnung auf Umkehr unter Biden
Schon mehrfach bekannte sich der neugewählte US-Präsident zu länderübergreifenden Schulterschlüssen: «Wir müssen nun gemeinsam handeln, um die freiheitlich demokratische Weltordnung zu verteidigen.»
Biden dürfte etliche von Trumps Beschlüssen umkehren: Die USA bleiben nun wohl in der WHO, treten dem Klimaabkommen wieder bei und kehren in den Menschenrechtsrat zurück. Der designierte Präsident habe viel über die Zusammenarbeit zwischen den Ländern gesprochen, freut sich Vizegeneralsekretär Mark Lowcock, Chef der humanitären Hilfe der UNO.
Und Guterres kann nun tun, was er ohnehin wollte, worauf er aber bei einer Wiederwahl Trumps wohl verzichtet hätte: eine zweite Amtszeit anstreben.