Ursprünglich wollte der Bundesrat gut ausgebildete Mütter zu mehr Erwerbsarbeit motivieren. Für sie lohnt sich das oft nicht, denn Krippenplätze sind teuer.
Linderung bringen soll ein höherer Steuerabzug für Fremdbetreuung. «Das kommt all jenen gut ausgebildeten Frauen zugute, die gerne im Erwerbsleben bleiben und heute eigentlich bestraft werden», sagte Finanzminister Ueli Maurer im Parlament.
Linke Uneinigkeit
Was nach einer einfachen Änderung im Steuergesetz klingt, sorgt aber für manche Überraschung. So ist etwa die Linke zunächst gespalten und trägt, was selten ist, die Differenz offen im Parlament aus.
Die Grünen sind für den Steuerabzug – aus Gleichstellungssicht. Die SP ist dagegen: Frauen sparten vielleicht ein paar Hundert Franken, rechnet SP-Nationalrätin Jacqueline Badran den Grünen vor. «Glauben Sie wirklich, dass das nur den geringsten Anreiz gibt, den Beschäftigungsgrad von gut qualifizierten Frauen zu erhöhen?»
Ein CVP-Familienpolitiker tritt vor
Wenn schon müssten alle Familien von höheren Kinderabzügen profitieren, findet CVP-Nationalrat Philipp Kutter. Die CVP setze sich dafür ein, dass Familien ungeachtet ihres Familienmodells entlastet würden, stellte er in seinem Antrag fest. Es sollten also auch jene Familien mehr von den Steuern abziehen können, die ihre Kinder selber betreuen. Und zwar 10'000 Franken Abzug pro Kind statt wie heute 6500.
Kutter landet damit einen Coup, findet er doch für seinen Einzelantrag eine Mehrheit im Nationalrat. Aus einer Vorlage für gut qualifizierte Mütter, die den Bund zehn Millionen Franken kostet, wird nun eine 380-Millionen-Vorlage für alle Familien, die Bundessteuer zahlen.
Entlastung der Reichen
Dagegen wehrt sich zunächst auch die FDP. Der Antrag entspreche nicht dem Ziel der Vorlage, sagt deren Wirtschaftspolitikerin Daniela Schneeberger: «Diese steht im Zusammenhang mit der Fachkräfte-Initiative, soll die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern und ist in diesem Sinne kein Familienpaket.»
Es wird schwierig, das im ‹Löwen› und ‹Ochsen› zu erklären, weshalb man hohe Einkommen entlastet.
Auch der Bundesrat ist dagegen. So würden hauptsächlich Familien mit guten Löhnen profitieren, warnt Finanzminister Maurer: «Das dann im ‹Löwen› und im ‹Ochsen› zu erklären, weshalb man hohe Einkommen entlastet und das als Familien- und Mittelstandspolitik verkauft, ist schon eine gewisse Schwierigkeit.»
Freisinn schwenkt um
Darauf ändert als nächste Überraschung die FDP den Kurs. Fraktionschef Beat Walti findet, dass der Staat Familien mit höheren Einkommen schon sonst nichts schenke – keine Prämienverbilligung, keine günstigeren Kita-Tarife: «Da finde ich es nicht exotisch, wenn man effektiv anfallende Lebenshaltungskosten im Umfang von 10'000 Franken auch bei der Bundessteuer zum Abzug zulässt.»
Und darüber wird jetzt abgestimmt, weil die SP das Referendum lanciert hat. Nun muss Maurer die Vorlage vertreten, die der Bundesrat so nie wollte. Also macht der Finanzminister Dienst nach Vorschrift: Der Bundesrat übernehme wie immer die Vorlage des Parlaments, gibt er vor den Medien einigermassen begeisterungsfrei zu Protokoll. Und er fügt an: «Die Bedenken, die wir ursprünglich hatten, sind natürlich nicht ganz ausgeräumt. Denn wir müssen insgesamt für die Bundeskasse schauen. Aber das ist die Ausgangslage.»
Nach einigen überraschenden Wendungen biegt die Vorlage nun in die Schlusskurve ein – zur Volksabstimmung am 27. September.