Mit Deepseek erwächst den grossen Anbietern von KI-Modellen Konkurrenz. Was das vor allem auch für den User und die Userin sowie die Weiterentwicklung und Forschung bedeutet, erklärt Informatikexperte Florian Tramèr.
SRF News: Wie gut ist Deepseek?
Florian Tramèr: In den Tests, die wir bis jetzt gesehen haben, gehört es zu den zwei bis drei besten KI-Modellen. Vielleicht gleich oder ein bisschen schlechter als das beste Modell von OpenAI oder von Google. Und es ist heute sicher das allerbeste öffentliche Modell.
Deepseek hat laut eigenen Angaben mit viel schlechteren Chips gearbeitet als die US-Konkurrenz und dazu in der Entwicklung noch viel weniger gekostet. Wie erstaunlich finden Sie das?
Das ist sehr erstaunlich. Deepseek behauptet, dass es da um fünf bis sechs Millionen Dollar ging. Wenn man das mit den Milliarden vergleicht, welche die Amerikaner oder andere Firmen investieren, dann ist das fast etwas, das wir an einer Universität auch machen könnten. Denn 2000 Chips, das ist überhaupt nichts. Das ist etwas, das jede kleine Firma hat.
Das ist ein grosser Angriff, weil die Open-Source-Modelle sehr viel einfacher zu benutzen sind.
Wie gefährlich ist dieser Open-Source-Aspekt für US-Konkurrenten wie OpenAI, die ihre Modelle geheim halten?
Das ist ein grosser Angriff, weil die Open-Source-Modelle sehr viel einfacher zu benutzen sind. Und weil es plötzlich mehrere Anbieter geben kann, die das Modell anbieten können. Die dadurch entstehende Konkurrenz senkt den Preis. ChatGPT erhält man nur von OpenAI, und die bestimmen, was für einen Preis sie dafür verlangen. Und solange ChatGPT das beste Modell ist, können sie mehr verlangen als die Konkurrenz.
Aber wenn es nun plötzlich ein anderes Modell gibt, das einigermassen gleich gut ist, und andere Anbieter, die miteinander darum kämpfen, den Preis so tief wie möglich zu behalten, dann wird es sehr, sehr schwierig für eine Firma wie OpenAI, da noch ihre Preise hoch zu behalten.
Da kommt wahrscheinlich noch sehr viel mehr Innovation.
Wie sieht es in Sachen Datenschutz für die Nutzer aus? Wo sind persönliche Daten sicherer: beim US-amerikanischen ChatGPT von OpenAI oder bei Deepseek aus China?
Das ist ebenfalls ein grosser Vorteil dieser Open-Source-Modelle. Wenn man heute ChatGPT braucht, hat man keine Wahl, da muss man seine Daten zu OpenAI in die USA schicken. Mit Deepseek würde man seine Daten nach China schicken. Aber es kommen wahrscheinlich noch mehr Anbieter, in den USA, dann auch in Europa, vielleicht sogar in der Schweiz, die solch ein Modell anbieten. Und dann kann man eigentlich viel einfacher auswählen, wo man jetzt seine Daten behalten will.
Was bedeutet Deepseek für das Rennen um die Vorherrschaft im Bereich KI?
Ich freue mich vor allem auch für uns als Forscher, dass wir jetzt auf so ein gutes Modell Zugriff haben. Das hatten wir bis jetzt noch nie, und da kommt wahrscheinlich noch sehr viel mehr Innovation. Deepseek hat nun gezeigt, dass es überhaupt möglich ist. Und das ist oft das Erste, was es braucht, bevor dann andere Firmen nachkommen. Vielleicht haben wir dann in einem oder in ein paar mehr Monaten nicht nur ein Deepseek, sondern dutzende solcher Modelle, die einigermassen gleich gut sind wie die besten Modelle von OpenAI und Google.
Es ist eine spannende Zeit.
Und die grossen Firmen?
Vielleicht haben die grossen Firmen doch noch irgendeinen Vorsprung, den sie noch nicht veröffentlicht haben und kommen dann eben mit einem noch besseren GPT heraus. Es ist eine spannende Zeit.
Das Gespräch führte Amir Ali.