Extreme Hitze in Kanada, Sturzfluten in Deutschland und Überschwemmungen in der Schweiz. Hitze, Trockenheit und Waldbrände ums Mittelmeer – die letzten Wochen hatten es in sich. Bei vielen haben sie den Eindruck hinterlassen, dass wir in einer neuen Ära der Wetterextreme leben.
Dieser Eindruck wird auch vom Weltklimarat IPCC in seinem neusten Bericht bestätigt. Die ETH-Klimatologin Sonia Seneviratne war daran mitbeteiligt. Die klimatisch verrückten letzten Wochen würden die Einschätzung des IPCC bestätigen, sagt sie.
Link zum Thema:
So haben die Hitzewellen bereits deutlich zugenommen. Die Temperaturspitzen sind ebenfalls in die Höhe geschossen. Auch Starkregen ist häufiger und intensiver geworden.
Wir stecken mittendrin.
Im Unterschied zu früheren Berichten hat sich der Fokus des Weltklimarats dabei verschoben. Früher habe man oft über mögliche Zukunftsszenarien gesprochen, erklärt Erich Fischer, Mitautor des Berichts und ebenfalls ETH-Forscher. «Wenn Sie den jetzigen Bericht betrachten, dann ist klar: Wir stecken mittendrin.»
Klimawandel beschleunigt sich
Nicht nur befindet sich die Menschheit mitten in der globalen Erwärmung, diese hat sich auch bereits deutlich beschleunigt. Zwischen 1970 und 2006 stieg der Meeresspiegel pro Jahr um 1.9 Millimeter. Seither läuft dieser Prozess doppelt so schnell ab. Dazu kommt, dass die globale Durchschnittstemperatur seit dem vorindustriellen Zeitalter, also seit etwa 1850, um 1.1 Grad gestiegen ist. Allein in den letzten sieben Jahren ist sie jedoch um 0.2 Grad gestiegen.
Es sind jedoch weniger die steigenden Durchschnittstemperaturen, die Menschen gefährden, sondern vor allem die extremen Ausschläge. Der neue IPCC-Bericht hat sich deshalb intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Er kommt zu einem beunruhigenden Fazit.
Die derzeitige CO2-Konzentration ist höher als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.
So befinde man sich heute auf klimatisch gesehen unbekanntem Terrain, erläutert Fischer. «Die derzeitige CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist höher als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte.»
Wetterextreme künftig alle zehn Jahre
Was das bedeutet, davon habe die extreme Hitzewelle in Kanada einen Vorgeschmack gegeben, sagt Seneviratne. Deren Spitzentemperatur sei unglaubliche fünf Grad über dem alten Rekord gelegen.
Ohne Klimaerwärmung wäre dieses Ereignis extrem unwahrscheinlich gewesen, erklärt die Forscherin. Anders dagegen, wenn sich das Klima um zwei Grad erwärmen würde. Dann könnten solche Ereignisse alle fünf bis zehn Jahre stattfinden. Zwei Grad sind der Höchstwert, der im Pariser Abkommen vereinbart wurde.
Bisher undenkbare Extremereignisse könnten also bald fast schon zum alltäglichen Wetter gehören. Weil solche Wetterextreme künftig wahrscheinlicher werden, dürften sie zudem öfter zusammen auftreten, erklärt die Klimatologin. Es sei zum Beispiel denkbar, dass die wichtigen Weizenanbaugebiete in Europa, Asien und den USA alle gleichzeitig von Hitze und Dürre heimgesucht werden. «In gewissen Jahren könnte die Nahrungssicherheit vielleicht nicht garantiert sein.»
Selbst geringere Erwärmung bietet keine Sicherheit
Jedes Zehntelgrad, um das die globale Durchschnittstemperatur zunimmt, vergrössert solche schwerwiegenden Risiken, hält der IPCC-Bericht fest. Selbst das ehrgeizigere Ziel des Pariser Abkommens – eine Erwärmung von anderthalb Grad – verspricht deswegen keine Sicherheit.
Ungewiss bleibt zudem, ob die Menschheit dieses Ziel überhaupt noch erreichen kann. Auch das machen die Analysen im neuen Bericht klar.
Wenn die Politiker es mit dem Pariser Abkommen ernst meinen, ist jetzt der letzte Zeitpunkt zum Handeln.
Eine Chance gebe es nur noch, wenn der CO2-Ausstoss weltweit sehr schnell und sehr deutlich gedrosselt werde, sagt Seneviratne. «Wenn die Politiker es mit dem Pariser Abkommen ernst meinen, ist jetzt der letzte Zeitpunkt zum Handeln.» Sollte dem so sein, muss die Politik im November Gestaltungswillen beweisen. Dann findet in Glasgow die nächste UNO-Klimakonferenz statt.