Die Landschaft im Süden Madagaskars ist karg. Durch eine jahrelange Dürre rückt die Wüste immer weiter in Regionen vor, die früher von Kleinbauern bewirtschaftet wurden. Stürme haben die knochentrockenen Felder mit Sand bedeckt. Strassen gleichen eher Sandpisten. Es ist schwierig, die notleidenden Menschen in dieser entlegenen Region zu erreichen.
Für den langen Fussmarsch in lokale Kliniken sind viele der auf Hilfe angewiesenen Menschen aufgrund akuter Mangelernährung zu schwach. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) ist deshalb mit mobilen Kliniken im Einsatz, wie Amy Neumann-Volmer erzählt. Sie ist Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion von MSF und selbst Ärztin. Gerade ist sie von einem Einsatz aus dem Süden Madagaskars zurückgekehrt.
Das sind wirklich schmerzhafte Konfrontationen mit der Armut.
Die Lage in der Region sei katastrophal, sagt Neumann-Volmer. Die Menschen seien so arm, dass sie nicht einmal ein Gefäss oder ein Tuch hätten, um die abgegebenen Medikamente und Nahrungsmittel mitzunehmen. «Wenn diese Frauen mit schwerstkranken Kinder kommen und offenbaren müssen, dass sie in den letzten Monaten schon zwei bis drei Kinder verloren haben – das sind wirklich schmerzhafte Konfrontationen mit dieser Armut.»
Nur noch Lumpen am Leib
Selbst gestandene humanitäre Helferinnen und Helfer sind schockiert vom Ausmass der Krise im Süden Madagaskars. Zu Mangelernährung und Hunger kommen Durchfallerkrankungen und Befall durch Parasiten. Denn auch sauberes Trinkwasser ist rar. Malaria und Covid-19 sind auf dem Vormarsch.
Die Menschen tragen nur noch Lumpen am Leib, viele ihrer Besitztümer haben sie in ihrer Not verkauft, oder sie wurden ihnen gestohlen. Marodierende Banden haben erst das Vieh geraubt, jetzt plündern sie ganze Dörfer: Nahrung, sogar Kochtöpfe und Wasserkanister, nichts ist vor ihnen sicher.
«Wir sind in kleineren Dörfern gewesen, wo nur die Schwächsten noch da waren. Also Alte, Kranke, Kinder. Der Rest des Dorfs ist weg», sagt Neumann-Volmer. Auch hätten sie viele völlig verlassene Dörfer angetroffen.
Nicht einmal mehr Wurzeln zu essen
In früheren Dürrejahren konnten die Dorfbewohner noch irgendwie überleben: Sie haben Wurzeln ausgegraben, Kaktusfeigen gepflückt, Blätter, Gräser und Heuschrecken verzehrt. Doch diese Resilienz stosse nun an Grenzen: «Jetzt kommen auch Jugendliche und Erwachsene mit schwerster Unterernährung zu uns», sagt Neumann-Volmer. Es sei selten, dass es die ganze Familie so massiv treffe.
Es gehe um Menschen, denen anzusehen sei, dass sie für alles kämpfen müssten. Nicht nur um Nahrung und Wasser, sondern auch darum, überhaupt sichtbar zu sein und bemerkt zu werden. Es handle sich quasi um eine vergessene Bevölkerung im Süden Madagaskars: kaum Strassen, kein Wasser, keine medizinische Infrastruktur: «Und dazu noch diese Dürre, die Sandstürme, diese klimatischen Veränderungen.»
Keine Besserung in Sicht
Zwar seien inzwischen etliche Hilfsorganisationen in der Region aktiv, doch die Nahrungsmittelhilfen erreichten nicht alle Dörfer, so die MSF-Ärztin. Auch seien nicht genügend Hilfsmittel vor Ort vorhanden.
Hinzu komme, dass die magere Saison zwischen den Ernten, in der Lebensmittel jedes Jahr besonders knapp werden, erst noch bevorstehe. Für die Vorstandsvorsitzende der deutschen Sektion von Ärzte ohne Grenzen besteht deshalb kein Zweifel: Diese Krise wird sich weiter zuspitzen.