Hierzulande ist Madagaskar berühmt für die einzigartige Flora und Fauna, die die isolierte Insel im Südosten Afrikas hervorgebracht hat. Von der weltweit grassierenden Masern-Epidemie bleibt die Tropeninsel aber trotz ihrer Abgeschiedenheit nicht verschont. Im Gegenteil: Im Land, das zu den dreissig ärmsten der Welt gehört, entfaltet die Epidemie verheerende Wirkung. Seit Herbst sind über 1100 Menschen gestorben.
Die Behörden sind mit dem Ausbruch überfordert. «Die Epidemie breitet sich leider immer weiter aus», erklärte der WHO-Epidemiologe Dossou Vincent Sodjinou vor rund zwei Wochen. Die Epidemie fordere auch deshalb so viele Opfer, weil etwa die Hälfte aller Kinder mangelernährt sei und daher ein bereits geschwächtes Immunsystem habe.
Das Virus hatte in Madagaskar leichtes Spiel, weil jahrelang nur gut die Hälfte aller Kinder geimpft wurden. Das lag nicht an Impfgegnern, sondern daran, dass dem Staat die Mittel für Aufklärungs- und Impfkampagnen fehlen. Die WHO will in dem Land mit 26 Millionen Einwohnern nun rund 7.2 Millionen Kinder impfen lassen.
Einer von zahllosen Krisenherden
Hat die Regierung des Landes die Gefahr unterschätzt, ja sogar versagt? Constantin Grund findet es allzu leicht, aus westlicher Warte den Stab über Politik und Behörden in dem strukturschwachen Land zu brechen.
«Der Gesundheitssektor ist einer von vielen Krisenherden im Land. Die Regierung muss schauen, welche Prioritäten sie setzt», sagt der Leiter des Büros der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in der Hauptstadt Antananarivo. Dort wütete letztes Jahr die Schwarze Pest, die in West- und Mitteleuropa Erinnerungen ans tiefste Mittelalter weckt.
Die aktuelle Epidemie scheint unter Kontrolle, die nächste wird aber kommen.
Die Kombination aus Armut, Unterentwicklung und schlechter Versorgungslage schaffe nun auch «optimale Bedingungen» für die Masernepidemie, berichtet Grund. Die Behörden haben mit der Schliessung von Schulen und Kindergärten reagiert.
Immerhin: Die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft scheinen inzwischen zu fruchten. «Die Impfkampagne hat speziell in den urbanen Zentren sehr gute Ergebnisse gebracht.» Dort seien in die Infektionszahlen in den letzten Wochen spürbar zurückgegangen. In entlegeneren Teilen der riesigen Insel sei der Zugang zu den Kranken aber noch immer erschwert.
Bei all dem Leid, das die Masern-Epidemie über das Land bringt, ist sie für Grund aber nur Ausdruck grundlegender Schwierigkeiten: «Ehrlich betrachtet: Masern sind wie die Pest ein Problem. Aber die Faktoren, die solche Epidemien begünstigen, sind so schwerwiegend für die Regierung, dass es ein langes und intensives Engagement der internationalen Gemeinschaft braucht, um so etwas dauerhaft in den Griff zu bekommen.»
Eine akute Krise zu managen sei das eine. Um das Grundübel auszumerzen, müssten aber die sozioökonomischen Bedingungen auf dem armutsgeplagten Inselstaat nachhaltig verbessert werden. So schliesst Grund mit einem ernüchternden Fazit: «Die aktuelle Epidemie scheint unter Kontrolle, die nächste wird aber kommen.»