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Hochhäuser der Zukunft «Bosco verticale» – Klimafreundlich aber teuer

Das grüne Hochhaus in Mailand kennt in Italien jeder. Doch Nachahmer des Hauses gibt es nur wenige.

800 Bäume, 4500 Büsche und 15’000 kleinere Pflanzen: «Bosco verticale», der vertikale Wald. Es handelt sich dabei um zwei Hochhäuser, deren buschige, verwaldete Fassaden etwa drei Hektaren Wald entsprechen sollen. Sie stehen mitten in der Millionenstadt Mailand, deren Bewohnerinnen und Bewohner oft unter Smog, Feinstaub oder grosser Hitze leiden. Dieses viele Grün, das auf den hunderten von Balkonen spriesst, hat allerdings seinen Preis.

Teuer war schon der Bau der beiden Wohntürme. Um so viele Pflanzen samt der dafür notwendigen Erde sicher und stabil in luftiger Höhe zu halten, musste der Bauherr zusätzliche Millionen in die Statik des Gebäudes investieren. Aber auch die Bewässerung entlang der Fassade oder die Pflege der Bäume in bis zu 100 Metern Höhe sind teuer.

Denn es sind nicht Bewohner selber, die Bäume schneiden oder Büsche stutzen. Diese Arbeiten werden von schwindelfreien Gärtnern übernommen, die regelmässig alle Balkone pflegen. Das geht aber nur über Hebebühnen, die fest auf den beiden Dächern verankert sind.

Die grüne Fassade als Zukunftsmodell?

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Seit Montag diskutieren Experten an einer Tagung in Bern über Möglichkeiten, wie Gebäude gebaut werden sollen, damit sie die Umgebung nicht zusätzlich aufheizen. Eine Möglichkeit ist dabei die grüne Fassade.

Diese grüne Fassade habe gleich mehrere Vorteile, so SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim: «Zum einen reinigen die Pflanzen die Stadtluft. Sie produzieren frischen sauberen Sauerstoff, binden aber gleichzeitig auch CO2». Die grüne Fassade wirke auch wie eine zusätzliche Isolation. Gerade im Sommer halte sie die Hitze ab. «Im Inneren muss dann im Gegenzug etwas weniger stark gekühlt werden». Den umgekehrten Effekt habe man im Winter. «Es muss weniger geheizt werden».

Diese Pflanzen bieten zudem einen neuen Lebensraum für Vögel und Insekten. Ein zentraler Punkt sei ausserdem die Speicherung von Regenwasser: «Je nach Standort sind es 50 bis 80 Prozent. Dieses Wasser wird anschliessend schrittweise wieder abgegeben und kühlt so die Umgebung», so Heim.

Günstige Alternativen

Das «Bosco verticale» ist sehr teuer. Es gebe aber auch günstigere Alternativen, meint der Wirtschaftsredaktor. «Eine Möglichkeit wäre das klassische Efeu. Aber auch Clematis oder Glyzinien eignen sich für grüne Fassaden.» Zwar müssten auch diese Pflanzen gelegentlich geschnitten werden, aber die Kosten für den Unterhalt seien nicht so hoch wie beim «Bosco verticale».

Unter dem Strich bedeutet das tausende Euro zusätzliche Nebenkosten, die jedes Jahr für alle Bewohner anfallen. Kein Wunder können sich nur Grossverdiener eine Wohnung in einem der beiden grünen Türme leisten. Auch darum hat der vertikale Wald bisher in Mailand selber keine Nachahmer gefunden. International aber schon: In China zum Beispiel entstehen mehrere Hochhäuser, die sich am Mailänder Vorbild orientieren.

Hochhaus mit Grün an Fassade.
Legende: In China entstehen mehrere Gebäude in Anlehnung an das «Bosco verticale». Keystone

Die Mailänder Stadtregierung selber setzt auf ein anderes, weniger aufwändiges und teures Begrünungsmodell. Die Stadt fördert die Begrünung von Flachdächern mit einem Steuerrabatt. Auf Dächern Bäume, Büsche oder Gras zu pflanzen, ist deutlich einfacher und günstiger als an Fassaden. Die Stadt erhofft sich positive Effekte aufs Stadtklima und, erstaunlicherweise, auch auf die Kanalisation.

Mit dem Klimawandel registriert auch Mailand immer häufiger heftige, sintflutartige Regenfälle. Grüne Dächer sollen das viele Wasser aufnehmen und einen Teil davon zurückbehalten. Damit nicht, wo schon so oft geschehen, nach einem starken Regen ganze Strasse oder Plätze unter Wasser stehen.

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