Seit Jahrzehnten forscht die Wissenschaft nach einer Impfung gegen das HI-Virus. Trotzdem gibt es bisher keinen zuverlässigen Impfstoff gegen den Aids-Erreger. Nun ist in den USA zum ersten Mal eine mRNA-Impfung gegen Aids verabreicht worden – im Rahmen einer ersten Testphase. Die Virologin Alexandra Trkola über Chancen und Grenzen des Impfstoffes.
SRF News: Warum weckt die mRNA-Technologie Hoffnungen für eine Impfung gegen Aids?
Alexandra Trkola: Bei HIV sind die Erwartungen etwas niedriger. Aber auch hier wird die Technologie für die Entwicklungsphase sehr viel bringen. Wir können durch sie beschleunigt verschiedenste Impfstoff-Konzepte im Menschen testen – das war vorher nicht möglich.
Trotz jahrzehntelanger Forschung ist es bisher nicht gelungen, einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln. Was soll an dieser Impfung anders sein?
Sie baut ja genau auf dieser jahrzehntelangen Forschung auf. Die mRNA-Technologie ist nur das Vehikel für die Verabreichung dieser Entwicklung, die schon vorher gemacht wurde. Es ist also kein neues Konzept in Bezug auf die aktive Komponente des Impfstoffes.
Wir müssen komplett verhindern, dass das HI-Virus den Menschen infiziert.
Gegen das Coronavirus wurden in Rekordzeit gleich mehrere Impfstoffe entwickelt. Warum gibt es gegen HIV nach mehr als 40 Jahren noch keinen?
Wenn man die beiden Viren oberflächlich anschaut, scheinen sie sehr ähnlich zu sein. Beide haben Spike-Proteine und bei beiden weiss man, dass man neutralisierende Antikörper braucht, die gegen diese Spikeproteine gerichtet sind. Die Spikes des Coronavirus sind aber vergleichsweise einfach aufgebaut. Die Antikörper können dort sehr gut andocken. Bei den Covid-Impfstoffen nimmt man den Spike mehr oder weniger wie er ist – und das ist schon der Impfstoff.
Dieses Vorgehen hat man bei HIV schon vor Jahrzehnten versucht. Es funktioniert aber nicht, weil sich das HIV-Spike-Protein viel besser gegen den Angriff durch Antikörper schützt.
HIV infiziert und bleibt im Menschen. Wenn wir einmal infiziert sind, können wir das Virus nicht mehr loswerden. Sars-CoV-2 ist dagegen nur transient, wie alle anderen Coronaviren auch. Es bleibt nur kurze Zeit in uns und die Infektion wird vollständig wieder geklärt. Für das Virus ist also der gigantische Aufwand für den Schutz der neutralisierenden Andockstellen nicht notwendig.
Die bisher entwickelten Impfstoffe gegen das HI-Virus haben enttäuschende Ergebnisse gebracht. So erreichte zum Beispiel der beste Ansatz in klinischen Studien eine Schutzwirkung von rund 30 Prozent. Warum ist die Impfstoffentwicklung gegen HIV so schwierig?
Es gibt viele Faktoren, die das Ganze bei HIV sehr komplex machen. Und bei HIV brauchen wir einen viel stärkeren Schutz. Wir müssen komplett verhindern, dass das Virus infiziert. Wenn sich das Virus einmal in die Zellen integriert, dann wird es durch die Zellen weitergegeben und bleibt in uns. Es kann nur noch therapiert, aber nicht mehr eliminiert werden.
Sars-CoV-2 integriert sich dagegen nicht in die Zellen. Die Immunantworten, die die Covid-Impfstoffe erreichen, sind sehr gut. Sie geben keinen kompletten Schutz vor einer Infektion, sie erlauben aber eine verminderte Krankheit. Das Ziel bei diesen Impfstoffen war, dass man nicht auf der Intensivstation landet.
Eine verminderte HIV-Erkrankung gibt es dagegen nicht. Wenn man infiziert wird und man wird nicht therapiert, dann schreitet diese Infektion über die Jahre voran und man stirbt schliesslich daran.
Das Gespräch führte Eliane Leiser.