Die Schlafforschung ist gefragt – denn viele Menschen kämpfen mit Schlafproblemen. An einem Kongress im Tessin haben sich jetzt Wissenschaftler aus der ganzen Welt getroffen. Einer der Organisatoren ist Christian Baumann. Er sieht grosses Potenzial in der Schlafforschung.
SRF News: Weshalb kommen Menschen zu Ihnen ins Schlaflabor?
Christian Baumann: Manche können nicht gut schlafen – Insomnie-Patienten –, andere brauchen zu viel Schlaf und sind tagsüber schläfrig – Hypersomnie-Patienten –, viele kommen, weil bei ihnen die Atmung beim Schlafen aussetzt – Schlafapnoe-Patienten. Eine recht grosse Gruppe stellen zudem die sogenannten Restless-Legs-Patienten dar – sie klagen über unruhige Beine, die den Schlaf stören. Immer öfter sehen wir aber auch gesunde Menschen, die schlicht und einfach zu wenig schlafen.
Warum landen auch gesunde Menschen im Schlaflabor?
Meist sind die Betroffenen tagsüber müde, was sich auf ihr Leistungsvermögen auswirkt. Wir versuchen dann herauszufinden, ob es sich um eine Erkrankung handelt oder bloss um einen Schlafmangel. Letzteres betrifft einen erheblichen Teil unserer Patienten.
Beruf und Sozialleben hindern viele daran, einfach eine Stunde länger zu schlafen.
Ein Schlafmangel ist gar nicht so einfach abzuklären: Man muss beweisen, dass mehr Schlaf zu einer Verbesserung des Allgemeinzustands führt. Das ist in der Realität nicht leicht umsetzbar. Häufig verunmöglichen es der Beruf oder das Sozialleben, den Schlaf pro Tag beispielsweise um eine Stunde zu verlängern.
Müsste die Nachfrage nach Beratungen angesichts all der Tools zum besser Schlafen – wie Apps oder Fitness-Armbänder – nicht zurückgehen?
Das Gegenteil ist der Fall: Weil sich die Leute heute immer stärker mit dem Schlaf beschäftigen, steigt die Nachfrage nach Beratung und Abklärung im Schlaflabor.
Wie verändern diese neuen Technologien die Schlafforschung?
Diese Gadgets und Apps messen den Schlaf nur ungenau, sie werden der Komplexität des Schlafs nicht gerecht. Sie werden uns deshalb bei der Schlafforschung kaum weiterhelfen.
Wir wollen ein besseres Bild des Schlafs erhalten und Probleme erkennen können.
Das ist auch der Grund, wieso sich all diese Forscher und Ingenieure im Tessin trafen. Sie wollen gemeinsam Technologien entwickeln, damit der Schlaf bei den Menschen zuhause langfristig gemessen werden kann. So wollen wir ein besseres Bild des Schlafs erhalten und erkennen können, ob es allenfalls Probleme gibt, die sich negativ auf die Lebensqualität oder die Gesundheit auswirken.
Wie erkenne ich, dass mein Schlaf nicht gesund ist?
Wenn Sie gewisse Symptome wie Schläfrigkeit am Tag oder Kopfweh beim Aufwachen feststellen, dann macht es Sinn, dies mit einem Arzt zu besprechen und abzuklären, ob ein Aufenthalt in einem Schlaflabor sinnvoll ist. Wenn man aber das Gefühl hat, dass man einfach zu wenig schläft, sollte man zuerst versuchen, den Schlaf zum Beispiel in den Ferien zu verlängern und zu schauen, ob der Zustand dadurch besser wird.
Ein besserer Schlaf kann das Risiko für gewisse Krankheiten vermindern.
Die Schlafforschung erlangt stetig neue Erkenntnisse – was kommt noch auf uns zu?
In den letzten Jahrzehnten ist sehr viel über den Schlaf und dessen Funktion sowie Steuerung herausgefunden worden. Das Wissen ist allerdings noch nicht wirklich in eine Anwendung für die Gesellschaft umgesetzt worden. Es muss nun in Therapien – und Anwendungen für die Gesunden – eingebaut werden. Ein schlechter Schlaf kann gewissen Krankheiten Vorschub leisten, deshalb kann eine Verbesserung des Schlafs das Risiko für diese Erkrankungen senken. Das wäre ein grosser Schritt.
Das Gespräch führte Silvan Zemp.