Die 13-jährige Jael von Wyl hat ständig Kopfschmerzen, «als würde jemand mit dem Hammer gegen den Kopf schlagen, einfach die ganze Zeit». Dazu kommt die grosse Erschöpfung – typische Long-Covid-Symptome. «Das eigene Kind so zu sehen – die Schmerzen, das Weinen, die Müdigkeit – das macht enorm hilflos und betroffen», sagt Mutter Judith von Wyl.
Auch Claudia Schumms Sohn leidet an Long Covid. Seit einem Jahr kann er nicht mehr regulär zur Schule gehen. Der 11-Jährige kann sich kaum mehr als zehn Minuten konzentrieren, ist ständig erschöpft. Auch er hat starke Kopf- und Gliederschmerzen. Ohne Schmerzmedikamente geht es nicht.
Kein Plan für Long Covid?
«Als Familie mit einem Kind mit Long Covid ist man komplett allein, die Kinder und Jugendlichen sind unsichtbar», klagt Mutter Claudia Schumm. Sie hat zusammen mit anderen Eltern die Selbsthilfegruppe «Long Covid Kids Schweiz» gegründet, für den Austausch unter den Betroffenen, aber auch um sichtbarer zu werden.
Denn Claudia Schumm ist wütend: «Im Prinzip hat man sich entschieden, möglichst wenig Massnahmen zu machen, damit die Bevölkerung möglichst viele Freiheiten hat. Die Kinder hat man mehr oder weniger durchseucht. Aber man hat keinen Plan, was man jetzt eigentlich mit den Menschen macht, die krank geworden sind.»
Häufigkeit unklar
Claudia Schumm und ihre Mitstreiterinnen fordern bessere Anlaufstellen für Betroffene und ein Register zum Erfassen von Long Covid bei Kindern und Jugendlichen. Denn wie häufig Long Covid bei ihnen vorkommt, ist nach wie vor unklar – die Studien dazu sind bisher sehr widersprüchlich. Auch wenn es nur ein Prozent oder weniger der Angesteckten ist, könnte es hunderte oder gar tausende von Kindern und Jugendlichen mehr oder weniger stark treffen.
Philipp Jenny, Präsident des Verbands «Pädiatrie Schweiz» hingegen sagt: «Wir haben international gesehen keine Hinweise darauf, dass da eine Welle von Long Covid auf die Kinder zurollt.» Auch bei den Spätfolgen seien sie weniger stark betroffen als die Erwachsenen.
«Bagatellisierung»
In der Selbsthilfegruppe Long Covid Kids hört man solches nicht gerne. «Die ganze Bagatellisierung – auch von ‹Pädiatrie Schweiz› – ist für uns sehr schmerzhaft», sagt Claudia Schumm.
Kinderarzt Philipp Jenny hingegen verweist auf die zahlreichen Long Covid Sprechstunden der Spitäler und sagt: «Ich habe selbst eine betroffene Tochter, ich spiele das nicht herunter. Aber man muss immer das Gesamtbild im Auge behalten und die Relationen sehen.»
Forschung gefordert
Claudia Schumm wünscht sich grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit für Betroffene – und mehr Forschungsförderung. «Ich bitte den Bundesrat um Herz und dass er das Portemonnaie öffnet – und wahrscheinlich braucht es ein grosses Portemonnaie. Denn ohne Forschung wird es keine Behandlungen geben, die wirklich Hilfe bringen.»
Sonst bleibt nur Symptombehandlung. Und die versucht Judith von Wyl für ihre Tochter Jael so gut es geht selbst zu organisieren. Sie blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Aber auch sie wünscht sich, dass man die Jugendlichen mit Long Covid ernst nimmt, «dass man Mitgefühl hat – nicht Mitleid, aber Mitgefühl – und sie nicht vergisst».