Omikron verbreitet sich in der Schweiz so schnell wie bisher noch keine Variante des Coronavirus: Im Schnitt werden derzeit täglich rund 26'000 Personen positiv getestet. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer der Infektionen. Ein Problem dabei ist: Jede Ansteckung birgt die Gefahr von Long Covid. Welche Rolle spielt Omikron dabei? Epidemiologe Milo Puhan schätzt ein.
SRF News: Wie gross ist die Gefahr einer Long-Covid-Welle nach der Omikron-Welle?
Milo Puhan: Das wissen wir noch nicht. Long Covid ist definiert als das Auftreten von bestimmten Symptomen nach mindestens drei Monaten nach der Infektion. Wir werden also frühestens im April etwas mehr wissen über Long Covid nach Omikron.
Trotzdem: Wenn Sie schätzen müssten, wie viele der Infizierten nach der Omikron-Welle an Long Covid leiden werden, was wäre Ihre Antwort?
Ich denke, dass es vielleicht ein bisschen tiefer sein wird als bei den bisherigen Varianten, wo wir über die ganze Literatur gesehen von etwa 20 Prozent ausgehen – von ganz milden bis zu schweren Verläufen.
Es könnte ein bisschen weniger Long-Covid-Fälle geben, da die Verläufe von Omikron generell etwas milder sind.
Es könnten ein bisschen weniger sein, da die Verläufe von Omikron generell etwas milder sind und wir vielleicht den Risikofaktor der sehr schweren Infektionen für Long Covid weniger haben.
Was könnte das für Long Covid nach einer überstandenen Omikron-Erkrankung konkret bedeuten?
Ich denke, dass wir wahrscheinlich irgendwo bei 15 Prozent oder so liegen werden. Aber wie gesagt, es ist schwierig, dies schon jetzt vorherzusagen. Aber wir wissen, dass dieses Virus ein postvirales Syndrom, dieses Long Covid, verursachen und dass dies auch nach milden Verläufen auftreten kann.
Zwischen dem Schweregrad der akuten Infektion und dem Schweregrad von Long Covid sehen wir bisher keinen sehr starken Zusammenhang.
Besteht die Hoffnung, dass Long-Covid-Verläufe nach Omikron milder verlaufen?
Zwischen dem Schweregrad der akuten Infektion und dem Schweregrad von Long Covid sehen wir bisher keinen sehr starken Zusammenhang. Aber ich glaube, für eine Vorhersage, ob vielleicht mildere Schweregrade von Long Covid häufiger werden, ist es noch zu früh.
Haben Sie Beispiele für mildere Long-Covid-Verläufe?
Häufige Symptome sind Erschöpfung, diese Fatigue, auch Konzentrationsschwierigkeiten oder eine Kurzatmigkeit. Wenn diese Beschwerden weniger stark ausgeprägt sind, führen sie zu geringeren Auswirkungen im Alltag. Das bedeutet, dass man der Arbeit nachgehen kann, dass das soziale Leben weniger eingeschränkt ist.
Wie diagnostiziert man Long Covid? Da gibt es ja Symptome, die auch durchaus diffus sein können.
Viele der Symptome – Kurzatmigkeit oder Erschöpfung oder kognitive Einschränkungen – sind uns in der Forschung sehr bekannt. Da haben wir Instrumente, um das zu messen. In der Forschung ist es ganz wichtig, diese Symptome standardisiert zu erfassen.
Viele der Symptome – Kurzatmigkeit oder Erschöpfung oder kognitive Einschränkungen – sind uns in der Forschung sehr bekannt.
Ich würde hier nicht von diffus sprechen, sondern von der Notwendigkeit, dass man die Symptome in einer sehr standardisierten Weise erfasst.
Und diese wissenschaftlichen Standards, die gibt es schon?
Ja, man verwendet da Instrumente, die es teilweise schon sehr lange gibt. Neben Fragebögen sind gewisse Tests in Diskussion, etwa Belastungstests, weil es ja auch nach einer körperlichen Anstrengung zu einer Verschlechterung der Symptome kommen kann. Man versucht jetzt herauszufinden, welche Kombination an Tests am besten ist, um einerseits eine Diagnose zu stellen, aber andererseits auch, um den Schweregrad der Symptomatik zu bestimmen.
Das Gespräch führte Adam Fehr.