Der Genfer Maler Edouard Castres war als Sanitäter dabei, als die französischen Bourbaki-Soldaten 1871 im Val de Travers in die Schweiz kamen. Zehn Jahre später hielt er zusammen mit seinem Team, darunter der junge Ferdinand Hodler, den Grenzübertritt in einem monumentalen Rundbild fest. Das Gemälde wird im Bourbaki-Museum in Luzern gezeigt.
Auf dem Bild von 112 Metern Länge und zehn Metern Höhe fällt als Erstes der endlose Strom von Soldaten auf, die sich kraft- und mutlos durch den Schnee schleppen.
Es zeigt aber auch viele Akteurinnen und Zeitzeugen. Die Pädagogische Hochschule Luzern hat deren Biografien recherchiert und stellt sie den Museums-Besuchern mit der App «My Bourbaki Panorama» zur Verfügung. Die folgenden Zitate stammen aus dieser App.
Jean Célestin Sallier, 20 Jahre alt, aus der Region Lyon: «Am 1. Februar 1871 überquere ich in einem unübersehbar langen, dicht gedrängten Zug von Soldaten die Grenze. Wir, meine Kameraden und ich, sind zwar noch beieinander, aber die Offiziere haben sich abgesetzt. Wir müssen dem Bahngeleise entlang stapfen. Dann müssen wir Gewehr, Bajonett und Fleischvorräte abgeben. Ich bin einfach nur froh, in Sicherheit zu sein.»
Sallier kommt nach der Internierung auf der Rückfahrt in die Heimat bei einem Eisenbahnunglück noch in der Schweiz ums Leben und wird mit den 23 anderen Todesopfern in Colombier am Neuenburgersee beerdigt.
Adèle Amstutz, sieben Jahre alt, zog mit den Eltern aus dem Berner Oberland nach Les Verrières: «Wenn wir hinausschauen, sehen wir arme Menschen, die sich dahinschleppen, Pferde mit angefressenen Mähnen und Schwänzen, die in den Schnee fallen – wir müssen helfen! Ich gehe hinaus mit einem Korb voll Brot, Vater und Mutter holen Soldaten in unser Haus.»
Amstutz starb im Alter von 99 Jahren in Fleurier im Val de Travers.
Arsène Job, 24 Jahre alt, französischer Unteroffizier, aus einer Bauernfamilie bei Paris: «Nach kurzer Verpflegung marschieren wir noch einigermassen gesund sechs Stunden lang nach Neuenburg weiter. Die Strasse ist verstopft, und wir frieren in unseren dünnen Mänteln und den Schuhen mit den schlechten Sohlen. Am Wegrand stehen Einheimische und bedauern uns, geben uns zu essen. Ich bin erleichtert, als wir in Neuenburg in einen Zug gesetzt werden. Wir kommen in einen Ort namens Sankt Urban und werden dort in einem ehemaligen Kloster untergebracht.»
Arsène Job stirbt am Internierungsort in Sankt Urban. Die Todesursache ist nicht bekannt. Im Staatsarchiv Luzern findet sich ein Brief der Luzerner Militärbehörde an Arsène Jobs Mutter, in dem ihr versichert wird, dass die silberne Uhr ihres Sohnes an sie zurückgesendet wurde.
Henri de Montmollin, 29 Jahre alt, adliger Mediziner aus Neuenburg: «Bittere Kälte und Platzmangel zwingen uns, die Kranken nahe zusammenzulegen. Dadurch stecken sie sich leicht an. So sind die meisten Patienten nicht Kriegsverwundete, sondern an Pocken, Typhus, Ruhr und Hirnhautentzündung erkrankt.»
Henri de Montmollin machte den Krieg auf preussischer Seite mit, aber nicht als Offizier, sondern unter dem Zeichen des Roten Kreuzes. Beim Grenzübertritt in Les Verrières trug er eine schweizerische Uniform.
Heinrich Meier, 36 Jahre alt, Major des Entlebucher-Bataillons, das an der Grenze Dienst tat: «Ich lasse durch meine Leute die über die Grenze tretenden Soldaten in drei Kolonnen trennen, damit die Entwaffnung schneller vor sich geht. Viele Soldaten werfen die Gewehre einfach weg. Andere wollen sich nicht freiwillig entwaffnen lassen. Da braucht es schon mal eine Entlebucher Faust!»
Aa Wa, 26 Jahre alt, Berber aus der französischen Kolonie Algerien: «Was mit uns geschieht, verstehe ich nicht: Haben wir gesiegt? Sind wir in Gefangenschaft geraten? Aber wir werden nicht misshandelt, die Leute helfen mir. Die Menschen bestaunen uns, spenden Kleider und Nahrung. Unsere Hautfarbe ist beliebt, wir werden oft in Wirtschaften eingeladen. Ich weiss jetzt, wo ich bin: im Paradies!»
Aa Was Spur verliert sich nach dem Ende der Internierung.