Das milde Urteil gegen Paralympics-Star Oscar Pistorius hat in Südafrika ungläubige und wütende Reaktionen ausgelöst. Richterin Thokozile Masipa hatte den 27-Jährigen am gestrigen Freitag wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, aber vom Vorwurf desMordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp freigesprochen.
Fast alle grossen Zeitungen des Landes machten heute auf ihren Titelseiten deutlich, dass sie auf eine härtere Entscheidung gehofft hatten. Die meisten Blätter veröffentlichten dazu wenig vorteilhafte Fotos des 27-Jährigen, auf denen er teilweise weinend und mit laufender Nase zu sehen ist.
Solidarität mit der Familie des Opfers
So schrieb die Zeitung «New Age» mit ironischem Unterton von «Tränen der Erleichterung», während die «Pretoria News» in grossen Lettern «Oscar's great escape» (auf Deutsch etwa: Oscars grosses Entkommen) titelte. Der «Citizen» hatte gestern bereits gefordert: «Sperrt ihn ein!» und setzte heute mit dem Wort «Schande» nach.
Wie viele Südafrikaner zeigte die Zeitung «Beeld» vor allem Solidarität mit der Familie des Opfers: «Reevas Eltern können es nicht glauben», schrieb das auf Afrikaans erscheinende Blatt. Pistorius hatte seine 29-jährige Freundin in der Nacht zum Valentinstag 2013 durch eine geschlossene Tür erschossen.
15 Jahren Gefängnis im schlimmsten Fall
Masipa glaubte seiner Version, wonach er im Haus einen Einbrecher
vermutete und in Panik schoss. Auch Rechtsexperten waren überrascht von dieser Entscheidung. Der Strafrechtler Lovell Fernandez aus Kapstadt sprach von einem «umstrittenen Urteil, das bei der Bevölkerung grossen Ärger ausgelöst hat». Viele im Land sind überzeugt, dass der Sportler nur deshalb einem härteren Urteil entgangen ist, weil er berühmt und reich ist.
Pistorius bleibt bis zur Verkündung des Strafmasses, die nach dem 13. Oktober geplant ist, gegen Kaution in Freiheit. Im schlimmsten Fall erwartet den unterschenkelamputierten Sprinter eine Strafe von 15 Jahren Gefängnis, aber auch eine Bewährungsstrafe ist möglich.