Heute hat in New York der Prozess gegen Filmmogul Harvey Weinstein wegen sexueller Übergriffe auf zwei Frauen begonnen. Der Ausgang ist völlig offen. Doch schon jetzt ist klar: Der Fall Weinstein hat in der glitzernden Filmwelt Spuren hinterlassen.
Für die deutsche Schauspielerin Karola Raimond gibt es keinen Zweifel – Hollywood hat sich verändert: «Es gibt ein neues Bewusstsein in der Filmindustrie.» Sexuelle Übergriffe könne man jetzt offen ansprechen, was früher kaum möglich gewesen sei. «Als Schauspielerin hast du das Gefühl, dass du mehr Schutz hast.»
Hollywood hat zwei turbulente Jahre hinter sich. Als die «New York Times» 2017 schwere Anschuldigungen gegen Weinstein publik macht, beginnt die Aufarbeitung jahrzehntelanger Missstände. Die «Besetzungscouch», früher oft belächelt, wird zum ernsthaften Thema.
Berater für intime Szenen
Manche Studios greifen hart durch. Als mehrere Männer den Schauspieler Kevin Spacey der sexuellen Belästigung bezichtigen, werden seine Szenen im eigentlich fertigen Film «All the Money in the World» neu gedreht, mit einem anderen Schauspieler. Und der neuste Film von Woody Allen, «A Rainy Day in New York», wartet in den USA seit Monaten auf die Veröffentlichung. Der Verleih stoppte sie, als im Zuge von #Metoo alte Vorwürfe gegen den Regisseur wieder zum Thema wurden. Eine Adoptivtochter beschuldigt Allen, er habe sie sexuell missbraucht, als sie 7 Jahre alt war. Allen bestreitet die Vorwürfe.
Bei Dreharbeiten sind immer öfter speziell geschulte Berater am Set, so genannte «Intimacy Directors». Sie stellen bei Szenen mit Körperkontakt sicher, dass die Grenzen aller Beteiligten respektiert werden.
Früher seien intime Szenen ohne Vorbesprechung gedreht worden, sagt Intimacy Director Marcus Watson. Das habe oft zu Grenzüberschreitungen geführt. «Viele Schauspielerinnen und Schauspieler haben früher unangenehme Erfahrungen gemacht. Wir stellen sicher, dass die individuellen Ängste berücksichtigt werden, und dass beim Dreh alle die Macht über ihren Körper behalten.»
Auch kritische Stimmen
Männliche Produzenten und Regisseure seien auch abseits des Filmsets vorsichtig geworden, sagt Raimond. Das führe so weit, dass manche Männer in wichtigen Positionen sich kaum mehr getrauten, sich alleine mit Nachwuchs-Schauspielerinnen zu treffen, um ja keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Es sei zwar wichtig, dass mit den Tätern hart umgegangen werde. Doch: «Es gibt hier auch Stimmen, die denken, dass es etwas zu weit gegangen ist, dass zu viele Karrieren von sehr talentierten Künstlern zerstört wurden.»
Ein positives Zwischenfazit zieht Brenda Gutierrez. Sie gehörte zu den Aktivistinnen der ersten Stunde, organisierte ab 2017 mehrere #Metoo-Demonstrationen. «Vieles ist definitiv besser geworden. Übergriffe werden nicht mehr verschwiegen. Natürlich kann vieles noch besser werden. Aber es braucht Zeit, jahrzehntealte Missstände auszumerzen.»
Auch auf rechtlicher Ebene hat sich die Situation für Schauspieler etwas verbessert. In der Vergangenheit mussten sie oft Verschwiegenheitsklauseln, sogenannte NDA, unterschreiben. So gelang es den Tätern und den Filmstudios lange Zeit, Übergriffe geheim zu halten. Mittlerweile haben mehrere Bundesstaaten, darunter Kalifornien, solche NDA bei Vorwürfen sexueller Übergriffe eingeschränkt. Auch dies ein Mittel, um Fälle wie jenen von Weinstein künftig zu vermeiden.