Das Wichtigste in Kürze
- Eine dänische Samenbank-Firma schickt laut eigenen Angaben jeden Monat Dutzende sogenannte Selbstbefruchtungs-Pakete an Frauen in die Schweiz.
- Tatsächlich können interessierte Frauen auf der Website der Firma ihr Wunschkind quasi per Mausklick auswählen.
- Das ist zwar nicht immer legal – aber kaum zu verhindern, wie die Reproduktionsmedizinerin Dorothea Wunder erläutert.
SRF News: Ist schwanger werden quasi per Mausklick tatsächlich so einfach wie es tönt?
Dorothea Wunder: Technisch gesehen ist die Samenspende per Mausklick tatsächlich relativ einfach. Allerdings braucht es vom Click bis zur Geburt einiges, damit ein Kind entstehen kann. So muss die Frau, welche die Schwangerschaft austrägt, eine regelmässige Eizellreifung und einen Eisprung haben. Die Befruchtung muss zum richtigen Zeitpunkt stattfinden und die Eileiter dürfen nicht verschlossen sein. Man muss sich auch bewusst sein, dass die Chancen auf eine Schwangerschaft nicht so gross sind, wie man denkt: Im Idealfall – bei einem Paar im Alter von 25 Jahren – ist die Chance auf eine Schwangerschaft gerade einmal 20 Prozent pro weiblichen Zyklus. Mit zunehmendem Alter der Frau sinkt die Rate weiter ab.
Leider lässt sich der Missbrauch tatsächlich nicht regeln.
Falls alle diese Voraussetzungen gegeben sind: Ist es medizinisch gesehen unproblematisch, wenn sich eine Frau die Samenspende selber einführt?
Aus medizinischer Sicht besteht das grösste Risiko in Mehrlingsschwangerschaften, falls die Frau Medikamente nimmt, um die Eireife zu unterstützen. Je nach individueller Situation können drei oder vier Eizellen gleichzeitig heranreifen – was zu einer Drillings- oder sogar Vierlingsschwangerschaft führen kann. Deshalb ist es wichtig, dass der Effekt von solchen Behandlungen medizinisch überwacht wird. Schliesslich bedeuten Mehrlingsschwangerschaften für Mutter und Kinder ein grosses Risiko.
Die Befruchtung mit fremdem Samen ist in der Schweiz klar geregelt. So darf man das nur machen, wenn alle anderen Therapien nicht zum Erfolg geführt haben. Wie soll das kontrolliert werden?
Leider lässt sich der Missbrauch tatsächlich nicht regeln. Immer mehr Paare reisen ins Ausland und lassen sich dort behandeln. Auch gibt es dort Ärzte, die alles machen, was von ihnen verlangt wird. So werden 60- oder 70-jährigen alleinstehenden Frauen Eizellspenden oder ähnliches verabreicht. Zurück in der Schweiz stehen wir dann vor vollendeten Tatsachen. Eine Zahl der illegalen Befruchtungen in der Schweiz kann man allerdings nicht nennen, die Dunkelziffer dürfte aber hoch sein.
Das Problem ist aber, dass die Leute ins Ausland gehen und sich dort behandeln lassen. Das können wir nicht verhindern.
Gibt es für Sie als Medizinerin Fälle, in denen die Nutzung einer Samenbank Sinn macht?
Die Samenspende ist in der Schweiz bei Paaren erlaubt, bei denen eine Unfruchtbarkeit des Mannes vorhanden ist. In solchen Fällen kann eine Samenspende durchaus sinnvoll sein, um dem Paar zu einem Kind zu verhelfen.
In eine ähnliche Richtung – die Planung des eigenen Nachwuchses – geht das sogenannte Social Freezing. Dabei lässt eine junge Frau ihre Eizellen einfrieren, um zu einem späteren Zeitpunkt – vielleicht nach einer erfolgreichen beruflichen Karriere – mittels künstlicher Befruchtung schwanger zu werden. Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht für dieses Vorgehen?
Gerade in der Schweiz, wo es Frauen nicht leicht gemacht wird, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, bedeutet das eine Möglichkeit, dass eine Frau auch zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Schwangerschaft aus eigenen Eizellen haben kann. Sie muss dann nicht auf eine Eizellspende im Ausland zurückgreifen. Das gilt vor allem für akademisch gebildete Frauen in höheren Positionen, die es nachgewiesenermassen schwierig haben, einen Partner zu finden. Oder auch für Frauen, die sich mit 35 Jahren oder mehr gerade von ihrem Partner getrennt haben – was recht häufig vorkommt. Zudem gibt es Frauen, die eine früher eintretende Unfruchtbarkeit haben und deren Eizellenreserve schon in jungen Jahren sinkt. Sie hätten später keine Chance mehr, ein biologisch eigenes Kind zu haben. Das Paradoxe beim «Social Freezing» ist jedoch, dass bei fruchtbaren Frauen aus gesellschaftlichen Gründen eine Unfruchtbarkeitsbehandlung vorgenommen wird. Doch das «Social Freezing» löst das Problem der schwierigen Vereinbarung von Beruf und Familie für die Frauen nicht. Hinzu kommen die bei dieser Methode nicht unerheblichen Kosten.
In den USA übernehmen manche Unternehmen sogar die Kosten für das «Social Freezing» ihrer Mitarbeiterinnen. Was sagen Sie dazu?
So nett da klingt – finde ich es nicht ganz unproblematisch. Damit kann auf die Frauen auch ein Druck ausgeübt werden, indem der Arbeitgeber bestimmt, wann die Frauen schwanger werden dürfen. Ausserdem klappt die künstliche Befruchtung bei Frauen über 40 Jahren nicht immer, manche Frauen müssen dann auf eine eigene Familie verzichten.
Bietet das Gesetz zur Fortpflanzungsmedizin, dem wir letztes Jahr an der Urne zugestimmt haben, all den aktuellen Entwicklungen genügend Leitplanken?
Auch wenn die Präimplantationsdiagnostik nun auch in der Schweiz durchgeführt werden kann, haben wir immer noch eines der strengsten Fortpflanzungsmedizin-Gesetze der Welt. Die gesetzlichen Leitplanken sind also durchaus vorhanden. Das Problem ist aber, dass die Leute trotzdem – oder gerade deswegen – ins Ausland gehen und sich dort behandeln lassen. Das können wir nicht verhindern.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.