In Sri Lanka werden nach der Havarie eines Containerschiffs vor der Küste tonnenweise Mikroplastikteile an die Küste in der Nähe der Hauptstadt Colombo angeschwemmt. Es drohten massive Folgen für die Meeresbewohner, sagt die Umweltwissenschaftlerin Patricia Holm von der Uni Basel. Und das nicht nur am unmittelbar betroffenen Küstenabschnitt.
SRF News: Welche Folgen hat das ins Meer gelangte Kunststoff-Granulat?
Patricia Holm: Tiere könnten das Plastik anstelle von Futter zu sich nehmen, weil die meisten von ihnen das Plastik nicht von Nahrung unterscheiden können. Die Tiere verhungern dann mit vollem Magen.
Wegen des zunächst an der Oberfläche schwimmenden Polyäthylen-Granulats kommt auch weniger Licht in die oberen Meeresschichten, was die Photosynthese und die Orientierung der Meerestiere beeinträchtigt. Wenn das Mikroplastik später dann doch absinkt – das tut es zum Beispiel, nachdem sich auf der Oberfläche ein Biofilm angesiedelt hat – wird der Meeresboden davon bedeckt und es wird an den Strand angespült.
Ist die grosse Artenvielfalt vor der sri-lankischen Küste jetzt akut bedroht?
Die Lebewesen dort sind jetzt tatsächlich bedroht. Die Artenvielfalt wird aber nur selten durch ein einzelnes Ereignis massiv verringert. Meist kommen die Lebewesen ja auch andernorts vor. Aber lokal ist es durchaus möglich, dass die Populationen zugrunde gehen.
Die Tonnen von Plastikgranulat verschmutzen derzeit noch einen relativ kleinen Strandabschnitt, dort aber in sehr konzentrierter Form. Gibt es keine Möglichkeit, das Mikroplastik abzuschöpfen und zu entfernen?
Man stellt sich das immer so einfach vor: Beispielsweise mit Plankton-Netzen das Meer zu durchkämmen und die Plastikteile aus dem Wasser zu filtern. Doch wenn man das macht, fischt man auch die Plankton-Organismen ab, jene kleinen Tiere und Pflanzen, welche die Lebensgrundlage für alle grösseren Tiere bilden.
Durch die Meeresströmungen werden die Plastikpartikel über die ganze Welt verteilt.
Was man tun kann, ist, Schwimmsperren auszubringen, um das obenauf schwimmende Plastik zusammenzuhalten und dann abzuschöpfen. Doch dazu müssen die Umweltbedingungen stimmen: möglichst stille See, kein Wellengang, kein Wind.
Mikroplastik findet man inzwischen in allen Meeren auf der Erde. Wird die aktuelle Katastrophe von Sri Lanka die Plastik-Verschmutzung weltweit weiter verstärken?
Das Problem ist lokal natürlich viel massiver als weiter entfernt. Doch durch die weltweiten Meeresströmungen wird ein Teil der Plastikpartikel von der Havarie vor Sri Lanka über die ganze Welt verteilt und in Monaten oder Jahren in allen Weltmeeren zu finden sein. Schon jetzt befindet sich unglaublich viel Mikroplastik in den Meeren und in den letzten Jahren wurde bei Schiffsunfällen immer wieder Mikroplastik freigesetzt. Es ist bedauerlich, dass solche Unfälle nicht vermieden werden können.
Das Gespräch führte Janis Fahrländer.