Markus I. ist seit Jahren begeisterter Tesla-Fahrer. Vor wenigen Monaten legte er sich ein neues Modell zu. Doch dieses Mal kommt bei ihm wenig Fahrfreude auf. Der Grund: Die Limousine bremst im Autopilotmodus immer wieder unverhofft ab, macht sogenannte Phantombremsungen. «Kein gutes Gefühl», sagt Markus I., «Man weiss, es passiert irgendwann, aber man weiss nicht wann.» Der Tesla-Fahrer befürchtet, dass diese überraschenden Bremsmanöver eines Tages einen Auffahrunfall verursachen. Vor allem, wenn das Auto heftig abbremst, wie es immer wieder vorkommt.
«Kassensturz» unternimmt mit Markus I. eine Testfahrt. Auf der Autobahn aktiviert er den Autopiloten. Das ist im Wesentlichen ein Tempomat, der auch den Abstand und die Spur automatisch hält. Markus I. greift während der Fahrt mit den Pedalen nur ein, wenn nötig. Die Hände sind am Steuer, wie es das Gesetz vorschreibt. Nach 30 Minuten Fahrt passiert es: Der Tesla bremst ab, ohne das Zutun des Fahrers.
Betroffen sind alle Tesla-Modelle
Der Tesla von Markus I. ist kein Einzelfall. Auf Youtube sind zuhauf Videos zu finden, die genau dieses Problem zeigen. Die Teslas bremsen mitten in der Fahrt – ohne ersichtlichen Grund. Auch Beat Jau vom Forum Tesla Schweiz kennt das Phänomen: «Phantom-Breaking ist leider kein Phantom, es ist ein Ereignis, welches bei allen Tesla-Modellen vorkommt.»
Roland Siegwart forscht an der ETH Zürich an Autopiloten. Er kennt die ungewollten Bremsungen auch von anderen Auto-Herstellern. Dass das Problem ebenfalls beim Autopiloten von Tesla auftritt, überrascht den Professor für Robotik nicht: «Der Tesla hat diverse Kameras und einen Radar eingebaut, jedoch keinen Laser. Nur der Laser kann hochauflösend Tiefeninformationen messen.» Siegwart ist überzeugt, dass diese Technologie für eine sichere Fahrt unumgänglich ist und in den nächsten Jahren vermehrt eingesetzt werden wird.
Tesla schiebt Verantwortung auf die Kunden
Gibt Tesla mit seinem Autopiloten zu schnell Gas? Roland Siegwart vermutet genau das: «Tesla ist bereits beim Kunden draussen, während andere Hersteller noch mit Testpiloten unterwegs sind. Und das sollte man auch, bevor man dieses System wirklich in den Strassenverkehr entlässt.»
Nach Schweizer Gesetzen und Vorschriften ist der Fahrer stets für verantwortungsbewusstes Fahren verantwortlich, auch wenn er Fahrerassistenten einsetzt.
«Kassensturz» konfrontiert Tesla mit diesen Vorwürfen. Die Firma antwortet nur schriftlich und schiebt die Verantwortung auf die Kunden: «Nach Schweizer Gesetzen und Vorschriften ist der Fahrer stets für verantwortungsbewusstes Fahren verantwortlich, auch wenn er Fahrerassistenten einsetzt. Die aktive Geschwindigkeitsregelung kann leicht unterbrochen und übersteuert werden, beispielsweise durch Einsatz der Pedale oder des Lenkrads.»
Für Tesla-Besitzer Markus I. ein Hohn: «Wenn das Auto von selbst stoppt – von 123 auf 80 in 1,1 Sekunden – da kann niemand reagieren, da ist man ausgeliefert.» Für ihn sind diese Phantombremsungen zu gefährlich, er will sein Auto zurückgeben. Das ist allerdings gar nicht so einfach: Tesla war für ihn nur schwer erreichbar. Telefonisch wurde er vertröstet, und auf eingeschriebene Briefe hat das Unternehmen nicht reagiert. Markus I. hat sich deshalb inzwischen einen Anwalt genommen.