Es ist eine Mischung aus Folklore und Rap, mit dem die Ukraine am diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) antritt. Mit «Stefania» ist die Band «Kalush Orchestra» letzten Dienstag für die Ukraine ins Finale eingezogen. Ein Song, der eigentlich nicht grosses Siegerpotential habe, sagt Joel Grolimund, Moderator der ESC-Sondersendung von G&G: «Rein musikalisch würde ich den nicht auf Platz 1 setzen. Es ist zwar ein guter Song, aber jetzt eher Mittelmass in dem Jahr.»
Und doch: Seit Kriegsausbruch gilt die Ukraine als absoluter Favorit und hält sich in den Wettbüros unerschütterlich auf Platz 1. Die grosse Solidarität innerhalb Europas manifestiert sich auch hier.
Apolitisch – zumindest im Reglement
Eurovision und Politik: Sie sind untrennbar miteinander verknüpft. Dies, obwohl man beim ESC selber nicht müde wird, das Gegenteil zu betonen. Martin Österdahl, Supervisor Eurovision: «Das ist kein politischer Event. Wir wollen keine politischen Statements auf unserer Bühne.»
So stünde es eigentlich auch im Reglement des ESC. Laut Tom Glanzmann, Präsident des ESC-Fanclub Schweiz «douzepoints», ist die Realität, dann doch eine andere. «Der Eurovision Song Contest ist eine riesige Bühne, es sind 200 Millionen Zuschauer, die dabei sind, und da rutscht immer wieder die eine oder andere Botschaft durch.»
Zum Beispiel:
- 1990 rief Italien mit «Insieme» – vor allem an die Balkan-Länder gerichtet – zu einem vereinigten Europa auf.
- 1999, als der Balkankrieg zu Ende war, sangen alle gemeinsam, um der Kriegsopfer zu gedenken.
- 2007 klang der ukrainische Songtitel «Lasha Tumbai» gesungen wie «Russia Goodbye».
- 2009 wollte Georgien in Moskau mit dem Song «We don't wanna put in» antreten – wurde aber nach der Vorausscheidung nicht zugelassen.
- 2013 kam von Finnland ein Statement zur Ehe für Alle, über die dort gerade abgestimmt wurde.
- 2014 nach der Krim-Annexion, buhte das Publikum den russischen Act aus.
- 2019 hisste die isländische Band in Israel Transparente mit der Aufschrift «Befreit Palästina».
Ein Zeichen für die Heimat
Und 2022? Wird die politische Stimmung den Wettbewerb entscheiden? Joel Grolimund, Moderator der ESC-Sondersendung G&G, wagt eine Prognose: «Schlussendlich wird die Ukraine nicht siegen. Denn 50 Prozent der Stimmen kommen von der musikalischen Jury und die beurteilen nur den Song.»
Für die Ukraine anrufen werden am Samstag aber sicher viele – wohl auch Ukrainerinnen, die aus der Ferne mit dem Heimatland mitfiebern.