Für den Bundesrat war der gestrige Abstimmungssonntag wenig erfreulich: Nein zur E-ID, Ja zum Burkaverbot – eine doppelte Niederlage für Justizministerin Karin Keller-Sutter und den Bundesrat. Hinzu kommt, dass das Freihandelsabkommen mit Indonesien, für das sich der Bundesrat stark gemacht hatte, nur sehr knapp angenommen wurde.
Laut SRF-Bundeshausredaktor Curdin Vincenz hat der Vertrauensverlust wegen der Corona-Krise da mitgespielt.
SRF News: Hat der Bundesrat ein Vertrauensproblem?
Curdin Vincenz: Die Landesregierung hat derzeit vor allem ein spezifisches Vertrauensproblem – das betrifft ihre Corona-Politik. Je länger die Krise dauert, desto mehr nimmt die Zustimmung zur bundesrätlichen Corona-Politik ab, das zeigen die Umfragen.
Der Bundesrat hat vor allem ein Vertrauensproblem mit seiner Corona-Politik.
Möglicherweise hat das bei den Abstimmungen vom Sonntag auch eine Rolle gespielt. Das Nein zur elektronischen Identität andererseits kann auch so gelesen werden, dass die Bevölkerung der Wirtschaft mit ihrer Lösung nicht traut.
Viele Urnengänge fielen in letzter Zeit sehr knapp aus: Kampfjets, Konzernverantwortung, Verhüllungsverbot, Indonesien-Abkommen. Was sagt das über die aktuellen Kräfteverhältnisse in der Schweiz aus?
Auffällig sind die knappen Ergebnisse allemal – ob man da allerdings von einem Trend sprechen kann, bleibt offen. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu sehr knappen Ergebnissen an der Urne. Tatsache aber ist: Die politischen Lager sind weniger gefestigt als noch vor einigen Jahren. Es gibt immer mehr Leute, die ökologisch oder wirtschaftskritisch denken.
Die politischen Lager sind weniger gefestigt als früher.
Nach den letzten Abstimmungen hiess es, die SVP könne sich mit ihren Ausländerthemen nicht mehr durchsetzen. Doch jetzt hat sie nach der Masseneinwanderungsinitiative 2014 erstmals nach sieben Jahren wieder eine Volksinitiative durchgebracht. Was bedeutet das?
Die Verhüllungsinitiative wurde ja nicht von der SVP lanciert, auch wenn diese als einzige Bundesratspartei hinter dem Anliegen stand. Zudem gehört ein Verhüllungsverbot nicht zu den Kernanliegen der SVP, wie etwa der Kampf gegen die Personenfreizügigkeit oder gegen die Einwanderung. Absender des Volksbegehrens war das Egerkinger Komitee – entsprechend gehört der Abstimmungserfolg dem Komitee und SVP-Nationalrat Walter Wobmann.
Steht nach dem Erfolg der Verhüllungsinitiative schon bald eine weitere anti-Islam-Abstimmung vor der Tür?
Möglich ist das, konkret ist aber noch nichts. So gibt es einige hängige Parlamentsvorstösse, etwa jenen, der das Kopftuch für Schülerinnen verbieten will oder einen zum Verbot des Kopftuchs für öffentliche Angestellte.
Bei der Abstimmung am 13. Juni geht es schon wieder um die Islamismus-Frage.
Sicher ist, dass es schon am 13. Juni wieder um Islamismus geht. Dann kommt das Antiterror-Gesetz zur Abstimmung, das auch präventive Massnahmen gegen potenzielle Terroristinnen und Terroristen enthält. Die Gegner der Vorlage argumentieren, Muslime würden damit unter Generalverdacht gestellt. Die nächste Debatte folgt also auf dem Fuss.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.